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Friedrich Merz’ und Emmanuel Macron Plan für Europa: Lesen Sie hier den Pakt im Wortlaut

Friedrich Merz’ und Emmanuel Macron Plan für Europa: Lesen Sie hier den Pakt im Wortlaut

Bei seinem Antrittsbesuch in Paris einigt sich Kanzler Merz mit Frankreichs Präsident Macron auf Richtlinien in der Zusammenarbeit. Lesen Sie hier den gesamten Text der beiden.

7. Mai 2025: Emmanuel Macron empfängt Bundekanzler Merz in Paris.Fabrice Chassery

Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hat bei seinem ersten Besuch in Frankreich mit Emmanuel Macron offenbar eine Art Freundschaftsvertrag vereinbart. Worauf sich die beiden Staatschefs geeinigt haben, veröffentlichten sie in einem Gastbeitrag. Zuerst erschien der Beitrag auf der Plattform „Leading European Newspaper Alliance“, zu der auch die Welt und die französische Zeitung Le Figaro gehört.

In einem Umfeld, das von Kriegen auf unserem Kontinent, hartem globalem Wettbewerb, beschleunigtem Klima- und Technologiewandel sowie der Bedrohung durch weltweite Handelskonflikte geprägt ist, haben wir uns auf eine umfassende Agenda verständigt, um unsere Beziehungen neu zu definieren und Europa zu stärken. Wir streben eine strategischer ausgerichtete und handlungsfähigere Partnerschaft an, die konkrete Ergebnisse für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für die Europäische Union erzielt. Der traditionellen deutsch-französischen Achse und den bilateralen Beziehungen wollen wir neuen Schwung verleihen zugunsten eines souveräneren Europas – dabei werden wir uns auf Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz konzentrieren.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Illusion eines garantierten Friedens in Europa zerstört. Wir haben bereits mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernommen und werden dies weiter ausbauen. Unsere Verteidigungsfähigkeiten werden wir konsequent stärken – auch im Hinblick auf die Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der Nato.Wir müssen messbare Fortschritte bei der Verringerung strategischer Abhängigkeiten sowie bei der Reduzierung der Vielzahl an Verteidigungssystemen in Europa erzielen. Dazu gehören Standardisierung und Interoperabilität für einen funktionierenden Binnenmarkt sowie ein industriepolitischer Ansatz, der leistungsstarke Akteure begünstigt. Zugleich werden wir die Arbeit an geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten fortsetzen. Wir wollen die gemeinsame Produktion sowie gemeinsame Beschaffungs- und Vergabeverfahren in prioritären Bereichen, wie sie auf EU-Ebene festgelegt wurden, weiter stärken.

Regelmäßige Treffen des Deutsch-Französischen Rates zu Fragen der Strategie, Verteidigung und nationalen Sicherheit sollen unsere Zusammenarbeit intensivieren – etwa in der Unterstützung der Ukraine, bei Verteidigungsplanung, bei der Abstimmung strategischer Ziele sowie bei der Überprüfung und Koordination unserer nationalen Sicherheitsstrategien. Bilateralen Projekten der Verteidigungszusammenarbeit wollen wir neue Impulse verleihen und gemeinsam ein Innovationsprogramm für die Verteidigung entwickeln.

Kein „aufgezwungener Frieden“ für die Ukraine

Wir stehen geschlossen an der Seite einer souveränen, unabhängigen Ukraine. Einen aufgezwungenen Frieden werden wir niemals akzeptieren. Die Ukraine wird weiterhin unsere volle Unterstützung gegen die russische Aggression erhalten. Gemeinsam mit den USA, der Ukraine und unseren europäischen Partnern streben wir einen umfassenden und dauerhaften Waffenstillstand an. Sobald dieser erreicht ist, sind wir bereit, gemeinsam mit den USA und mit klaren Sicherheitsgarantien – insbesondere die einer starken ukrainischen Armee – um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen, der künftige russische Aggressionen verhindert. Unser Vorgehen gegenüber Russland und der systemischen Bedrohung, die es für die europäische Sicherheit darstellt, werden wir eng abstimmen.

Deutsch-französische Energiepolitik neu ausrichten

Wohlstand ist Grundvoraussetzung für Souveränität. Wir werden die EU-Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen und umsetzen.Zur Senkung der Energiekosten und Sicherung der Versorgung werden wir eine deutsch-französische Neuausrichtung der Energiepolitik initiieren – ausgerichtet auf Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität. Diese Neuausrichtung umfasst ein Bekenntnis zur Technologieneutralität: die Nichtdiskriminierung aller CO₂-armen Energiequellen in der EU, einen pragmatischen Ansatz bei CO₂-armem Wasserstoff, die Anerkennung von Erdgas als Übergangstechnologie für Mitgliedstaaten, die darauf angewiesen sind, sowie eine stärkere Ausrichtung der Energiepolitik auf Emissionsziele.

Zugleich verpflichten wir uns, gezielt in relevante Netze, einschließlich grenzüberschreitender Infrastruktur, zu investieren. Wir sind uns einig: Neue Klimaziele müssen mit glaubwürdigen Strategien verbunden sein, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern und eine Verlagerung von CO₂-Emissionen zu verhindern.

Entbürokratisierung, Investitionen, Innovation

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, den wachstumshemmenden Verwaltungsaufwand in der EU zu reduzieren – durch Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften und Abbau übermäßiger Belastungen, ohne die europäischen Ambitionen aufzugeben. Wir unterstützen die Vorschläge der Kommission und die rasche Umsetzung von Vereinfachungen, insbesondere bei der CSRD und der CSDDD. Darüber hinaus fordern wir weitere Vereinfachungen des EU-Regelwerks.Investitionen, Forschung, Innovation und Partnerschaften in strategischen Sektoren – wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Energie- und Klimatechnologien, Biotechnologie, Raumfahrt, Halbleiter und Verteidigung – sollen beschleunigt werden. Wir werden prüfen, wie die europäische Präferenz im öffentlichen Beschaffungswesen, insbesondere für CO₂-arme Produkte, gestärkt werden kann. Unser Ziel ist es, europäische Wettbewerbsregeln weiterzuentwickeln, die zur Bildung global konkurrenzfähiger europäischer Champions in strategischen Sektoren beitragen.

Erforderlich sind erhebliche öffentliche und private Investitionen – insbesondere in die Infrastruktur. Wir teilen die Dringlichkeit und Priorität, eine echte Kapitalmarktunion zu schaffen, um private Ersparnisse besser in europäische Unternehmen zu lenken und so die ökologische, digitale und sicherheitspolitische Transformation zu fördern. Dazu braucht es faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber globalen Konkurrenten und ein reformiertes Vergabesystem auf EU-Ebene. Wir werden an einem modernisierten mehrjährigen EU-Finanzrahmen arbeiten, um aktuelle Herausforderungen zu meistern und Fortschritte bei den eigenen Ressourcen zu erzielen.

Wirtschaftspolitik: Schutz europäischer Interessen ist Priorität

Angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs sind wir uns einig, dass eine neue, nachhaltige EU-Handelsagenda erforderlich ist – zur Diversifizierung und Absicherung von Partnerschaften und Wertschöpfungsketten, zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Schutz strategischer Sektoren und der Landwirtschaft. Dies geschieht im Einklang mit unserem Bekenntnis zu einem offenen, fairen und regelbasierten Handel – das sollte nicht als naiv abgetan werden. Gegenseitig vorteilhafte Wirtschaftsbeziehungen erfordern gleiche Wettbewerbsbedingungen.Wir werden nach Wegen suchen, um eine für beide Seiten vorteilhafte Handels- und Investitionsagenda mit den USA zu entwickeln. Gleichzeitig lassen wir keinen Zweifel an unserer Entschlossenheit, die Interessen der EU in vollem Umfang zu wahren und angemessen auf nachteilige Maßnahmen zu reagieren.Wir unterstützen die EU-Kommission beim entschlossenen Einsatz vorhandener Mittel zum Schutz europäischer Interessen. Wir werden eine wirksame europäische Wirtschaftssicherheitspolitik fördern.

Im Umgang mit China stimmen wir unsere strategischen Sicherheitseinschätzungen eng ab und verfolgen einen gemeinsamen Ansatz – insbesondere in Fragen von Handel und wirtschaftlicher Sicherheit. Gleichzeitig bleiben wir im Dialog zu Themen globaler Stabilität, Klimaschutz und weiteren gemeinsamen Anliegen.

Migrationspolitik: „Schengen-Raum strategischer steuern“

Wir werden zudem unsere nationalen wirtschafts- und sozialpolitischen Reformpläne stärker koordinieren, insbesondere in den Bereichen Arbeits- und Steuerpolitik. Eine Plattform für den Austausch zwischen französischen und deutschen Sozialpartnern sowie Wirtschaftsfachleuten wird eingerichtet.

Auch in der Migrationspolitik ist Führungsstärke gefragt. Wir setzen uns für die vollständige, zügige und kohärente Umsetzung des Europäischen Pakts zu Asyl und Migration in Deutschland und Frankreich ein sowie für die Anwendung der EU-Rückführungsverordnung. Zugleich wollen wir den Schengen-Raum strategischer steuern und die Kontrollen an den Binnengrenzen besser koordinieren, um sein effizientes und reibungsloses Funktionieren zu sichern.

Schließlich sind Reformen notwendig, um Europa stabil zu halten – nach innen zur Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Handlungsfähigkeit der EU, nach außen zur Vorbereitung auf Erweiterung und zur Bewältigung geopolitischer Herausforderungen, etwa über die Europäische Politische Gemeinschaft.

75 Jahre nach der Erklärung von Robert Schuman vom 9. Mai 1950 blicken wir mit Stolz auf die Errungenschaften Europas. Frankreich und Deutschland werden sich Tag für Tag gemeinsam dafür einsetzen, diese „konkreten Errungenschaften, die in erster Linie eine faktische Solidarität schaffen“, weiter voranzubringen – hin zu einer souveräneren Europäischen Union, die ihre Interessen selbstbewusst vertritt.

Berliner-zeitung

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