Krieg zwischen Israel und Iran: Warum sich China in Zurückhaltung übt

Seoul. Während die chinesische Botschaft in Teheran bereits ihre Landsleute mit Fernbussen an die über tausend Kilometer entfernte Landesgrenze nach Turkmenistan in Sicherheit bringt, meldet sich am Dienstag erstmals Xi Jinping zu Wort: „Alle Parteien sollten sich für eine möglichst schnelle Deeskalation des Konflikts einsetzen und eine weitere Verschärfung verhindern“, sagte der 72-Jährige am Dienstag. Es fällt auf, dass er Israel nicht direkt kritisiert, sondern stattdessen eine vage Formulierung wählt. Schließlich kündigt der chinesische Parteivorsitzende vollmundig an: „China ist bereit, eine konstruktive Rolle bei der Wiederherstellung von Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu spielen“. Doch dabei dürfte es sich vor allem um ein Lippenbekenntnis handeln.
Oberflächlich betrachtet scheinen die chinesischen Interessen in Nahost klar verteilt: Peking deckt große Mengen seines Energiebedarfs mit iranischem Öl, während Israel als enger US-Verbündeter ein ideologisches Feindbild darstellt. Grundsätzlich falsch ist diese Analyse zwar nicht, doch greift sie viel zu kurz: Chinas tatsächliche Rolle im Krieg zwischen Israel und dem Iran ist deutlich ambivalenter.
Fakt ist: Täglich exportiert der Iran etwa 270 Millionen Liter Rohöl (1,7 Millionen Barrel), und davon gehen über 90 Prozent nach China. Ganz offensichtlich handelt es sich um eine asymmetrische, ja nahezu koloniale Handelsbeziehung: Aufgrund von bestehenden US-Sanktionen gibt es nur wenige Staaten, die noch iranisches Öl beziehen möchten. Und China nutzt seine Monopolstellung radikal aus: Es kauft mit deutlichem Rabatt ein – und wickelt seine Importe zudem in Renminbi ab. Die chinesische Währung unterliegt strikten Kapitalverkehrskontrollen, was de facto bedeutet: Der Iran muss im Endeffekt seine Profite in chinesische Produkte investieren. Für die Volksrepublik ist dies ein doppelter Gewinn.
In der Propaganda nach außen gibt sich die chinesische Staatsführung hingegen als altruistisch. Pekings Diplomatie würde vor allem darauf abzielen, Entwicklung und Frieden zu fördern und gleichzeitig wirtschaftliche Chancen zu nutzen, argumentiert Hongda Fan von der Shanghai International Studies University: „Ein friedlicher und stabiler Naher Osten ist für China von größerem Nutzen“, kommentiert der führende Nahost-Experte des Landes in einem aktuellen Debattenbeitrag.
Fan verurteilt zwar Israels Angriffe auf den Iran. Doch vor allem kritisiert er die westlichen Staaten, die Israel unterstützen: „Die schamlose und unmoralische Haltung der europäischen und amerikanischen Mächte gegenüber dem Krieg zwischen Israel und dem Iran zeigt, warum sie degenerieren. Sie sind kein Vorbild der Demokratie mehr für die Welt“, schreibt der Experte auf X, vormals Twitter.
Die Botschaft Chinas soll vor allem im Globalen Süden verfangen: Während die USA völkerrechtswidrige Kriege gutheißt, moralisch belehrend und imperialistisch auftritt, ist das pragmatische China auf wirtschaftliche Entwicklung und eine gerechte Weltordnung bedacht.
Doch eine solche Rhetorik birgt auch für Peking eine gewisse Fallhöhe. Denn während die Parteiführung die eigene Bevölkerung mit seinen staatlich kontrollierten Medien und einem umfassenden Zensurapparat in die Irre führen kann, sollte außerhalb der eigenen Landesgrenzen die offensichtliche Scheinheiligkeit nicht untergehen: Dass nämlich China den Krieg Israels verdammt, jedoch gleichzeitig den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch nach über drei Jahren mit keiner einzigen Silbe kritisiert. Ganz im Gegenteil: Chinas Volkswirtschaft hält Wladimir Putins Kriegsmaschinerie durch die Lieferung von sogenannten „Dual Use“-Gütern überhaupt erst am Leben.
Auch beim Iran-Israel-Konflikt könnte man den Chinesen vorwerfen, dass sie das islamische Regime mit ihren massiven Öl-Einkäufen nachhaltig stützen. Nicht wenige Kritiker behaupten, dass das Regime in Teheran ohne den Handel mit China bereits kollabiert wäre.
Doch sollte man dabei nicht übersehen, dass Peking tatsächlich auf beiden Seiten der Konfliktlinien strategische Interessen verfolgt. Denn auch mit der Türkei und insbesondere den Golfstaaten hat China zuletzt seine Geschäftsbeziehungen intensiviert. Die Staatsführung will sich dementsprechend weder uneingeschränkt auf eine Seite positionieren, noch möchte es überhaupt einen Krieg in der Region. Ganz im Gegenteil: Pekings vorrangiges Ziel für Nahost lautet Stabilität. Denn wenn die Schiffsrouten, auf denen das Öl ins Reich der Mitte fließt, durch den Krieg blockiert werden, dann wäre nicht nur Chinas Energiesicherheit, sondern auch das Wirtschaftswachstum des Landes massiv bedroht.
rnd