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Spaltet der Nahostkonflikt die AfD? „Gibt keinen Grund, sich über diesen Krieg zu zerstreiten“

Spaltet der Nahostkonflikt die AfD? „Gibt keinen Grund, sich über diesen Krieg zu zerstreiten“

Je besser es bei einer Partei läuft, desto weniger neigt sie zu Richtungsstreit. Und zuletzt lief es doch eigentlich recht gut für die AfD: Da waren die starken Ergebnisse bei ostdeutschen Landtagswahlen, ein Rekordergebnis im Bund, dazu Umfragen, in denen sie nur noch ein paar Prozentpunkte hinter der Union liegt. Es lief dermaßen gut, dass CDU, CSU und SPD von letzten Chancen, Schüssen oder Patronen sprechen, die man jetzt noch habe, bevor die Blauen bald stärkste Partei werden könnten.

Und trotzdem ringt die AfD in dieser Phase, in der sie als größte Oppositionskraft ihre Wirkmacht genießen könnte, auf offener Bühne mit sich selbst. Neben der Debatte um Maximilian Krah, die er über die Betonung von „Remigration“ angestoßten hatte, zieht nun auch noch ein Konflikt über die Haltung zu Israel auf – zur Eskalation in Nahost, dem Regime in Iran. Es erscheint paradox: In einem Moment der Stärke offenbart die AfD Schwachpunkte.

Wie schon im Oktober 2023, wenige Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, ist es abermals Tino Chrupalla, der die Debatte auslöst. Damals beklagte der Co-Vorsitzende „alle Kriegstoten“, schrieb von Diplomatie als „Gebot der Stunde“. In der Partei, vor allem in der Bundestagsfraktion, stieß das auf deutlichen Widerstand, schließlich hatte die Hamas kurz zuvor die ersten Raketen auf israelische Städte gefeuert. Wieso sollte ein angegriffener Staat mit islamistischen Terroristen verhandeln?

Nun also wieder Chrupalla. Erneut wählte er die Plattform X, um seine Sicht auf die Vorgänge in Nahost zu erklären. Nachdem Israel begonnen hatte, iranische Atomanlagen und Militärstützpunkte zu beschießen, schrieb er: „Ans Pulverfass Naher Osten ist Lunte gelegt.“ Ein Krieg in der Region sei nicht im deutschen Interesse. „Ich verurteile die Angriffe und rufe die Beteiligten zur Mäßigung auf!“

Die Bestimmtheit, mit der sich der Parteichef positionierte, sorgt für heftige Irritationen in der AfD. Einige führende Funktionäre seien aufgebracht gewesen, heißt es. Denn für Außenstehende – also besonders Wähler – ist das Wort des Vorsitzenden gleichbedeutend mit der Parteilinie. Die Bild-Zeitung titelte: „AfD, BSW und Linke einig gegen Israel.“ Dabei ist die Position der AfD weitaus weniger klar als etwa die der Wagenknecht-Partei.

Der bayerische AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Kraft widersprach seinem Parteichef vehement. „Ich halte es für unglaublich naiv zu glauben, dass man einfach mehr Diplomatie braucht“, sagte er dem Portal The Pioneer. Iran habe keine friedlichen Absichten, da helfe nur Stärke oder wirtschaftlicher Druck. „Dieses diplomatische Grundverständnis erwarte ich auch von meiner Parteiführung.“

Grob gesagt gibt es in der Nahostpolitik drei Lager in der AfD: Eines steht treu an der Seite Israels, sei es aufgrund historischer Verantwortung oder der Ablehnung des Islam. Zu den prominenten Vertretern gehört die Abgeordnete Beatrix von Storch, auch der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Ein weiteres, gegensätzliches Lager richtet Friedensaufrufe an alle Seiten, sieht Israel als Aggressor und verschont das Regime in Teheran. So wie Chrupalla. Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe, die ihre Partei am liebsten aus der Nahost-Debatte heraushalten will. In diese Richtung äußerte sich der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke.

AfD-Politiker Lucassen: Sollten „Bekenntniszwang“ ablehnen

Wie groß diese Lager sind, ist schwer zu beziffern. Tatsächlich dürfte es sich bei den gegensätzlichen Polen „pro“ und „contra“ Israel um eher kleine Gruppierungen handeln, die aber durchaus laut sein können. Hinter dem Konflikt stehen nicht nur weltanschauliche Motive, sondern auch strategische, die auf Wählerpotenziale zielen.

Es ist sicher kein Zufall, dass sich vor allem westdeutsche AfD-Politiker gegen Chrupalla stellen, den Parteichef aus Sachsen: Der niedersächsische Landesvorsitzende Ansgar Schledde beispielsweise, der auf X von einem „Weckruf für die Mullahs in Teheran“ und „Islamofaschismus“ schrieb. „Ich stehe darum voll hinter Israels entschlossenem Handeln – ein starkes Signal gegen die Aggression der Islamisten!“ Oder seine Landtagskollegin Vanessa Behrendt. Sie verurteilte das „Terrorregime im Iran“, das sein Volk unterdrücke, während Israel die westliche Welt verteidige.

Dazu stellten sie Social-Media-Kacheln, die sie vor den Flaggen Israels und Deutschlands zeigten. Beiden dürfte bewusst gewesen sein, wie ihre Beiträge verstanden werden – als direkte Reaktion auf Chrupallas Worte, auch wenn sie ihn nicht erwähnten. Da wollte jemand öffentlich die Gegenposition einnehmen.

Einige Parteileute sprechen deshalb von einem Ost-West-Konflikt, der sich schon bei anderen außenpolitischen Themen gezeigt habe. In den westdeutschen Landesverbänden denke man nicht nur in der Nahostpolitik auch an enttäuschte konservative CDU-Wähler – und da helfen antiisraelische Positionen nun mal nicht. Denn Solidarität mit Israel, so die Begründung, sei eng mit dem bundesrepublikanischen Konservatismus verbunden. Derweil fremdelten Chrupalla und seine Unterstützer mit westlichen Mächten: seien es die USA oder eben Israel.

Der interne Streit, der in sozialen Medien vor aller Augen ausgetragen wird, sorgt für Unverständnis in der Partei. Vor allem bei jenen, die geopolitische Fragen als zweitrangig erachten. Nicht nur der Thüringer AfD-Chef Höcke meint, dass die AfD „keine Lösungen für Konflikte in fernen Ländern liefern“ müsse – immerhin regiere sie nicht, schrieb Höcke auf X. „Es gibt für die AfD keinen Grund, sich über diesen Krieg zu zerstreiten“, sagt auch der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen der Berliner Zeitung. „Wir sind maximal Beobachter und keine handelnden Akteure.“

Wie bei vielen anderen Themen sollte die Partei auch hier „Bekenntniszwang“ ablehnen, sagt der verteidigungspolitische Fraktionssprecher. „Wir betonen immer wieder den Willen für eine ,interessengeleitete Außenpolitik‘ und den Grundsatz der ,Nicht-Einmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten‘. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, danach zu handeln.“

Am Mittwochabend äußerte sich schließlich auch die Co-Vorsitzende Alice Weidel zur Lage in Nahost. Sie hatte lange geschwiegen, fast eine Woche. Schon in der Vergangenheit hatte sie sich in außenpolitischen Fragen öfter zurückgehalten. Nun veröffentlichte die AfD-Pressestelle eine gemeinsame Stellungnahme der beiden Parteichefs, in der sie ihre Sorgen über die Eskalation ausdrücken, die auch die Sicherheit Deutschland, Europas und der ganzen Welt bedrohe. „Aktiv zum Krieg beizutragen, ist nicht im Interesse Deutschlands und Europas. Wir rufen die Kriegsparteien zur Mäßigung auf und hoffen, dass die USA nicht in den Krieg eintreten müssen.“

Europäische Politiker müssten „ihre Bürger vor negativen Auswirkungen des Nahostkonflikts wie Migrationsbewegungen oder Anschlägen schützen und diplomatisch zur Friedensfindung beitragen“, heißt es in dem Statement. Es ist wohl der Versuch, die möglichen Folgen dieses Konflikts für Deutschland zu betonen. Ein Kompromiss offenbar. Derweil scheint die Position der unerschütterlichen Unterstützer Israels in der Parteiführung keine Mehrheit zu haben.

Berliner-zeitung

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