Busunfälle mit Flixbus: Woran liegt es?

Das Szenario ist leider kein neues: Ein grasgrüner Flixbus kommt von der Autobahn ab und stürzt um. In der Nacht zu Freitag wurden 31 Menschen bei dem Unfall auf der A19 an der Mecklenburgischen Seenplatte verletzt, sechs von ihnen schwer. Gegen den Fahrer, so meldete die OZ am Montag, wird wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Laut Polizei ein Routinevorgang. Die Unfallursache ist noch unklar.
Klar ist aber bereits: Erneut ist das Hamburger Busunternehmen Umbrella City Line involviert, das schon im März 2024 als Flix-Subunternehmer in den schlimmen Busunfall mit vier Toten auf der A9 bei Leipzig verwickelt war. Bereits im Oktober 2023 kam es zu einem Skandal, als ein Umbrella-Fahrer im Hamburger Stadtverkehr mit 2,4 Promille hinter dem Bus-Lenkrad erwischt wurde.
Ein Verdacht kommt auf und wird vor allem in sozialen Medien immer wieder geäußert: Sind die Unfälle womöglich strukturell bedingt?
Das Flix-Geschäft funktioniert nach dem Plattform-Prinzip – ähnlich wie der Fahrdienstanbieter Uber: Flix schreibt die Routen aus und bündelt sie auf seiner Plattform. Die Fahrten übernehmen dann Subunternehmer, inklusive eigener Busse und Fahrer. 20 bis 30 Prozent der Ticketeinnahmen zahlen sie an Flix. Bleibt der Bus leer, gehen die Subunternehmen leer aus.
Zugleich bedeutet Fernbus-Fahren in Deutschland mittlerweile fast zwangsläufig Flixbus-Fahren. Das Unternehmen mit Sitz in München will mit seinen Zügen perspektivisch nicht nur der Fernverkehrssparte der Deutschen Bahn Konkurrenz machen, es hat das Fernbus-Segment schon seit Jahren fest im Griff. Sein Marktanteil lag im Jahr 2024 in Deutschland laut Destatis bei 97 Prozent, mehr Monopol geht kaum.
Die Liberalisierung des Fernbus-Marktes 2013 war der Startschuss. Die Zahl der Fahrgäste verneunfachte sich von 2012 bis 2015 auf den Rekordwert von 23,2 Millionen. Mit der Pandemie kam dann der Einbruch, doch 2024 waren immerhin wieder rund 10,5 Millionen Fahrgäste an Bord. Anfangs noch mit großer Konkurrenz unterwegs, schluckte Flixbus einen Mitbewerber nach dem anderen und ist mittlerweile längst Platzhirsch.
Doch können Sicherheitsstandards auf diese Weise – und unter hohem Preisdruck für die Subunternehmen – aufrechterhalten werden? Flix betont, über ein umfassendes Sicherheitskonzept zu verfügen: Sicherheitstrainings würden angeboten, Nachtfahrten in der Regel durch einen zusätzlichen Fahrer begleitet, Lenk- und Ruhezeiten stichprobenartig überprüft.

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Dass die technische Sicherheitsausstattung der Busse heutzutage gut sei, bestätigt Kristin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV). „Seit 2015 sind in den Bussen Notbremsassistent und Spurverlassenswarner vorgeschrieben, für neue Busse seit 2024 Müdigkeitswarner und ab 2026 auch ein Ablenkungswarner”, sagt sie. Generell seien Reisebusunfälle auch selten.
Kommt es aber dazu, sind oft viele Insassen betroffen. „Und dann kann über Leben und Tod entscheiden, ob man angeschnallt ist“, sagt Zeidler und kritisiert, dass die bestehende Anschnallpflicht kaum eingehalten werde. „Die Busfahrer weisen darauf hin, mehr nicht.“
Problematisch seien zudem die Evakuierungswege: Liegt der Bus nach einem Unfall auf der Seite der Türen, fallen diese als Rettungsweg weg. Dachluken und Rückfenster sind für schnelle Evakuierung der Insassen zu klein. Wichtig seien daher größere Dachluken und vor allem, dass sich die Frontscheibe als schnellster Rettungsweg standardmäßig von innen öffnen lässt.
Ob beim Unfall auf der A19 eine Kommunikation zwischen Fahrgästen und Busfahrern möglich war und wie die Sicherheitsmaßnahmen kommuniziert wurden, ist offen. Die beiden Fahrer, die für den Hamburger Subunternehmer Umbrella City Line, tätig sind, sprechen weder deutsch noch ausreichend englisch. Sie sind Georgier, und bei der Unfallaufnahme musste ein Dolmetscher hinzugerufen werden, um sie detailliert befragen zu können. Flix antwortet auf Nachfrage, die Hinweise könnten auch durch Bandansagen mehrsprachig eingespielt werden.
Ein Vertreter des Fahrlehrerverbands Hamburg mit Blick auf die Anforderungen für EU-Führerscheine.
Ein Vertreter des Fahrlehrerverbandes Hamburg sieht dennoch eine „große Grauzone“ – auch beim Thema Fahrerlaubnis. In Deutschland koste die entsprechende Ausbildung inklusive Prüfung 10.000 bis 15.000 Euro, die Berufskraftfahrerqualifikation allein 3.000 Euro. Hinzu kommen kostenpflichtige Sicherheitstrainings alle fünf Jahre. Eine stolze Investition.
Umbrella City Line verweist auf die RND-Nachfrage nach der Fahrerlaubnis der Busfahrer zurück an Flix. Damit bleibt offen, ob die Georgier angestellt sind und damit einen EU-Führerschein brauchen – oder ob sie eine Transitfahrt durchführten. Die Lenk- und Ruhezeiten müssen sie jedoch in beiden Fällen einhalten.
Bei Flix betont man die Aus- und Weiterbildungspflicht für Fahrer. Bezahlen müssen diese die Subunternehmen. Umbrella City Line wiederum ist Tochter von Umbrella Mobility mit Sitz in Prag. Auf deren Homepage ist nachzulesen, dass Fahrer aus Indien, den Philippinen und Georgien angeworben werden und in Tschechien ihren EU-Führerschein machen können – offiziell für den dortigen Verkehr. Die Ausbildungsbedingungen dort seien jedoch andere als in Deutschland, wo eine entsprechende Fahrerausbildung 90 Fahrstunden umfasst, sagt der Vertreter des Fahrlehrerverbands. „Das ist ein bekanntes Problem, das große Sorgen macht.“
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die grundsätzlich auch die Interessen von Busfahrern vertritt, winkt beim Thema Fernbus ab. Im Fernbus- und privaten Omnibusgewerbe sei Verdi sehr schlecht aufgestellt. Es seien oft kleine Unternehmen, die unter immensem finanziellen Druck stünden, sagt Andreas Schackert vom Verdi-Bereich Busse/Bahnen. „Zum System von Flixbus gehört es, an diejenigen Unternehmen zu vergeben, die am billigsten sind.“ Der Anteil migrantischer Beschäftigter sei dort hoch, die Bezahlung oft schlecht. Schackert räumt ein: „Das ist bei uns ein blinder Fleck.“
rnd