Dax-Rekord hält nicht lange

Soll niemand sagen, der Mann habe keine Manieren. „Es ist mir eine große Ehre, Ihnen diesen Brief zu schicken“ – so beginnt das Schreiben des US-Präsidenten an den japanischen Ministerpräsidenten. Danach zieht allerdings schnell geschäftsmäßige Kühle im typischen Trump-Duktus ein.
Anders lassen sich 25 Prozent Einfuhrzoll auf alle Waren aus Japan ja auch schwer vermitteln. Südkorea und andere haben ebenfalls so einen Brief bekommen, und der für die Mitglieder der EU sei in Arbeit, sagte Donald Trump am Donnerstag dem Fernsehsender NBC. Es wird ihnen eine Ehre sein, ihn zu empfangen.
Die Börsenreaktion fiel sogar in Tokio und Seoul vergleichsweise gelassen aus, aber die Stimmung hat unter der Rückkehr der Zolldrohung erkennbar gelitten. Diese Drohung war ja nie weg, muss man ehrlicherweise sagen, was den sommerlichen Höhenflug des Dax von vornherein etwas wagemutig erscheinen ließ.
Zur Wochenmitte schwang er sich kurz auf Rekordhöhen über 24.600 Punkte. Zur Erklärung dienten ordentliche Konjunkturdaten und Hoffnungen auf die anstehende Berichtssaison. Der paradoxe Mechanismus: Die Analysten haben ihre Gewinnerwartungen in den vergangenen Monaten deutlich gesenkt – was die Chance auf positive Überraschungen erhöht.
Aber sehr weit trug das nicht, ab Donnerstag ging es abwärts und am Freitag zunächst recht zügig unter 24.200 Punkte. Die Woche endete nur knapp darüber. Damit ist der Index zurück in der seit einigen Wochen vertrauten Bandbreite.
Ob das schon die Basis für einen späteren Aufwärtstrend ist oder vorher noch eine echte herbstliche Korrektur aussteht, hängt nicht zuletzt vom Briefeschreiber in Washington ab. Immerhin tun die Börsen gerade so, als habe es den April-Schock der „reziproken Zölle“ nie gegeben. Dabei ist klar, dass ein erheblicher Teil davon bleiben wird.
Am Freitag rückte das wieder ins Bewusstsein, und Anleger suchten Sicherheit, im Dax zum Beispiel bei RWE und Eon. Zykliker wie DHL, Daimler Truck und Siemens gehörten hingegen zu den größten Verlierern.
Stefan Winter ist leitender Wirtschaftsredakteur des RND. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über Börse, Finanzmarkt, Aufstieg und Fall der Kurse – und über die Unternehmen dahinter.
rnd