KOMMENTAR - Die Trump-Flüsterer: Es wird geflunkert und geschummelt, dass sich die Balken biegen


Christian Hartmann / Reuters
Sehnlich warten Politiker und Firmenchefs auf Klarheit darüber, welche Zölle der amerikanische Präsident von der Schweiz und der EU einkassieren will. Aber selbst wenn Trump das Geheimnis lüftet, werden sie keine dauerhafte Gewissheit haben. Trump kann die Zollhöhe jederzeit wieder revidieren.
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Jüngst hat er ständig neue Zollsätze und Fristen für deren Einführung bekanntgegeben. Er wird das wohl auch künftig nicht lassen können. Trumps Markenzeichen ist neben seinem Narzissmus die etwas kindlich anmutende Launenhaftigkeit.
Hauptsache, Trump ist ruhiggestelltPolitiker und Wirtschaftsvertreter haben ihr Verhalten dieser Flatterhaftigkeit angepasst. Sie wissen, dass sie dem Präsidenten schmeicheln müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Die Wahrheit bleibt dabei häufig auf der Strecke, mit den Details nimmt es im zwischenstaatlichen Umgang kaum mehr jemand genau. Manchmal wird gar gelogen, dass sich die Balken biegen – Hauptsache, Trump ist ruhiggestellt.
Ein Meister dieser Art Diplomatie ist der niederländische Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Als sich das Verteidigungsbündnis vor zweieinhalb Wochen auf Militärausgaben von 3,5 und 5 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) einigte, schmeichelte Rutte dem US-Präsidenten auf seine typisch burschikose Art. «Sie werden etwas erreichen, was kein Präsident in den Jahrzehnten zuvor geschafft hat», teilte er ihm mit.
Nur die Spanier getrauten sich, das Fest zu stören. Ministerpräsident Pedro Sánchez meinte, sein Land könne auch mit Ausgaben von 2 Prozent des BIP die Verteidigungsziele erreichen. Ist Sánchez nun Realist oder uneinsichtiger Querulant?
Eine Diskussion darüber gab es am Nato-Gipfel nicht. Stattdessen waren alle Regierungschefs froh, dass der Anlass ohne Eklat zu Ende ging. Dabei dürfte einigen von ihnen bewusst gewesen sein, dass sie die vereinbarten Minimalziele für die Verteidigung kaum je erreichen werden.
Zu angespannt ist dafür die Budgetlage in ihren Ländern. Eigentlich sollten die Regierungen rigoros sparen. Nun aber müssen sie viel mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, und das zusätzlich zu den stetig steigenden Kosten für Pensionen und das Gesundheitswesen. Aber das interessierte gerade niemanden. Mit Begriffen und Zahlen nimmt man es im Trump-Zeitalter nicht mehr besonders genau.
Das gilt auch beim Handel. Was bekommen die Partner der USA im Zollkonflikt? Einen Vertrag, eine unverbindliche Absichtserklärung oder einen erpresserischen Brief? Das ist unklar, aber wohl Letztgenanntes. Dabei haben die Schweiz und die EU so sehr gehofft, dass sie mittels klassischer Diplomatie den USA eine klare Abmachung abringen könnten.
Aber niemand weiss halt, welche Ziele Trump mit seinen Zöllen gerade verfolgt. Sicher ist, dass er höhere Staatseinnahmen und Investitionen anstrebt. Darüber hinaus wollen seine Strategen China schwächen. Das ist wohl der Hauptgrund, warum die USA asiatischen Ländern so hohe Zölle aufgezwungen haben. Chinesische Umgehungsgeschäfte sollen auf diese Weise unterbunden werden.
Ferner ist der US-Präsident stets für Überraschungen gut. Für brasilianische Güter soll ein Einfuhrzoll von 50 Prozent gelten, auch weil die Justiz des Landes angeblich gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro eine Hexenjagd veranstaltet.
Opportunistische FirmenchefsFirmenchefs bringen sich derweil in Sicherheit, indem sie Trump versprechen, sie würden in den USA die Investitionen erhöhen. Ob sie das wirklich tun oder ob sie bereits beschlossene Ausgaben als zusätzliche verkaufen, ist nie ganz klar. Auch hier geht es nicht um Fakten, sondern um den Schein, wie ihn Rutte perfektioniert hat.
Solche Verhaltensweisen richten viel Schaden an. Firmen und Staaten wünschen sich von Trump Verlässlichkeit, aber die werden sie von ihm vorerst nicht bekommen. Der US-Präsident hat aus Zöllen ein Instrument der Politik gemacht. Man kann nur hoffen, dass ihn steigende Inflationszahlen stoppen, bevor hohe Zölle wieder als normal gelten.
nzz.ch