Tipps von Fachanwälten: 7 typische Fehler bei der Firmenübergabe – und wie Sie sie vermeiden


Eine der fundamentalsten Weichenstellungen betrifft die Entscheidung zwischen interner Nachfolge (Familie oder Mitarbeiter) und externer Nachfolge (Verkauf an Dritte). Diese Entscheidung bestimmt den gesamten weiteren Prozess und sollte frühzeitig getroffen werden.
Aktuell übergeben Unternehmer etwa 53 Prozent der Firmen an Familienmitglieder, verkaufen 29 Prozent an externe Käufer und übertragen etwa 18 Prozent an Führungskräfte oder Mitarbeiter. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Unternehmer müssen klar unterscheiden zwischen der Nachfolge in der Führung und der Nachfolge als Gesellschafter – nicht jedes Familienmitglied, das Anteile erbt, muss auch in die Geschäftsführung eintreten.
Jan Peter Tornow sagt: „Die erste strategische Entscheidung, die getroffen werden muss, ist die Frage der internen oder externen Nachfolge. Dabei sollte man auch klar unterscheiden: Wer übernimmt die Führung des Unternehmens und wer wird Gesellschafter? Diese beiden Rollen müssen nicht zwangsläufig in einer Person vereint sein.“
Experte Philipp Hendel rät: „Bei Vermögensverwaltern ist der Übergabeprozess besonders komplex, da hier regulatorische Aspekte hinzukommen. Kaufverträge dürfen nicht einfach vollzogen werden, sondern müssen immer mit einer aufschiebenden Bedingung versehen werden, die das Plazet der Aufsichtsbehörde voraussetzt. Dies kann bis zu zwölf Monate dauern und schafft erhebliche Unsicherheit.“

Während Unternehmen in der Regel klare Strukturen und Regeln haben, fehlen diese auf Familienebene oft komplett. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der Familienunternehmen in Deutschland verfügen über eine dokumentierte Familienverfassung. Dieses Ungleichgewicht führt besonders bei Übergaben zu erheblichen Konflikten.
Die Familie als emotionales System trifft auf das Unternehmen als strukturiertes, rational geführtes System. Ohne klare Regeln für diese Schnittstelle entstehen Reibungspunkte: Familienmitglieder auf unterschiedlichen Hierarchieebenen, unklare Erwartungen an die Rolle von Familienmitgliedern und Konflikte zwischen aktiven und passiven Gesellschaftern.
Jan Peter Tornow rät: „Eine Family Governance führt dazu, dass sich die Familie selbst eine Art Kodex oder Verfassung gibt. Das Unternehmen hat einen Gesellschaftsvertrag, die Familie ist in der Regel nicht strukturiert. Wenn diese beiden sozialen Systeme aufeinandertreffen – ein sehr strukturiertes, organisiertes Unternehmen und eine auf Emotionen basierende Familie – kollidieren zwei Welten. Deshalb ist es wichtig, auch der Familie Struktur zu geben.“
Philipp Hendel rät: „Bei regulierten Unternehmen wie Vermögensverwaltern kommt noch die aufsichtsrechtliche Dimension hinzu. Hier ist eine klare Governance-Struktur nicht nur für das Familienklima wichtig, sondern auch für die regulatorische Compliance. Besonders die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung muss transparent und nachvollziehbar gestaltet werden.“

Eine der größten Hürden für erfolgreiche Unternehmensverkäufe sind überhöhte oder unrealistische Preisvorstellungen. Die Diskrepanz zwischen erwartetem und tatsächlichem Unternehmenswert kann je nach Bewertungsmethode und Branche 20 bis 50 Prozent betragen. Verkäufer überschätzen den Wert ihres Unternehmens oft aufgrund ihrer emotionalen Bindung.
Einfache Faustformeln wie „1 bis 3 Prozent der Assets under Management“ bei Vermögensverwaltern können zwar einen groben Anhaltspunkt geben, sind in der Praxis aber meist untauglich. Sie führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und berücksichtigen nicht die individuellen Besonderheiten des Unternehmens.
Philipp Hendel rät: „Die größte Herausforderung bei der Preisfindung ist, dass beide Seiten zunächst ein realistisches Gefühl für den Wert entwickeln müssen. Wenn ein Unternehmen nach Faustformel zwischen zwei und sechs Millionen Euro wert sein könnte, liegen die Vorstellungen des Käufers typischerweise bei zwei und die des Verkäufers bei sechs Millionen – da werden Sie keine Einigung erzielen. Erst eine fundierte Bewertung auf Basis künftiger Erträge schafft eine solide Verhandlungsbasis.“
Jan Peter Tornow rät: „Warum kommen Unternehmer und Vermögensinhaber zu einem Berater? Weil man eine Nachfolge nur einmal macht – es muss klappen. Wie oft verkauft ein Unternehmer sein Unternehmen, das er vielleicht selbst aufgebaut oder vom Großvater übernommen hat? Wie kommt er zur Kaufpreisfindung? Das sind die großen Themen – und da kommt man um Berater letztendlich nicht herum.“

In vielen Familienunternehmen entscheiden Inhaber über die Nachfolge ausschließlich nach verwandtschaftlichen Kriterien, ohne die tatsächliche Eignung der potenziellen Nachfolger kritisch zu prüfen. Bei regulierten Unternehmen wie Vermögensverwaltern kommen zusätzlich strenge behördliche Anforderungen hinzu, die die Aufsichtsbehörden in den letzten Jahren deutlich verschärft haben.
Die fachliche und persönliche Eignung des Nachfolgers entscheidet über den langfristigen Erfolg nach der Übergabe. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass jemand, der in anderen Branchen oder Positionen erfolgreich war, automatisch auch als Nachfolger geeignet ist.
Philipp Hendel rät: „Bei klassischen Familienunternehmen reicht der Nachname aus, um in die Nachfolge einzutreten. Das ist bei regulierten Unternehmen anders. Nur der fachlich und persönlich Geeignetste sollte die Nachfolge antreten. Bei Vermögensverwaltern prüft die Aufsichtsbehörde genau, ob der Nachfolger die notwendige Erfahrung im konkreten Geschäftsfeld mitbringt. Das muss in der Praxis konkret dargelegt werden. Die Weichen sollten bei interner Nachfolge dafür frühzeitig durch Integration des Nachfolgers in die relevanten Tätigkeiten gestellt werden.“
Jan Peter Tornow rät: „Ich bin persönlich ein großer Freund von Beiräten. Ein guter Beirat kann Konfliktsituationen, die völlig normal sind, auffangen und abfedern. Was schwierig ist: Wenn ein Beirat etwas empfiehlt und die Gesellschafter wiederholt dagegen entscheiden, wird auch ein guter Beirat irgendwann entnervt aufgeben.“

Bei Unternehmensübergaben konzentrieren sich die Beteiligten häufig auf rechtliche, steuerliche und finanzielle Aspekte. Was dabei oft übersehen wird: Der Erfolg einer Nachfolge hängt maßgeblich von den sogenannten „weichen Faktoren“ ab. Vertrauen, Transparenz, Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung sind entscheidend für einen reibungslosen Übergang.
Besonders in Familienunternehmen sind emotionale Aspekte von enormer Bedeutung. Der Weggang des langjährigen Firmeninhabers kann bei Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten Unsicherheit auslösen. Eine KfW-Studie zeigt, dass etwa 30 Prozent der gescheiterten Nachfolgen auf Kommunikationsprobleme und mangelndes Vertrauen zurückzuführen sind.
Jan Peter Tornow rät: „Was eine Nachfolge wirklich erfolgreich macht, sind Offenheit, Transparenz und Information. Tatsächlich gar nicht die juristischen und steuerlichen Themen, sondern die emotionalen, weichen Faktoren. Zusammenarbeit, Vertrauen, abholen und einbinden – einfach miteinander sprechen würde viele Konflikte lösen.“
Philipp Hendel rät: „Offenheit, Diskussionsfähigkeit und Kompromissfähigkeit sind extrem wichtig. Bei Vermögensverwaltern und anderen Vertrauensgeschäften steht die Beziehung zum Kunden im Mittelpunkt. Diese Beziehung muss behutsam auf den Nachfolger übertragen werden. Das gelingt nur, wenn die emotionale Dimension des Vertrauenstransfers von beiden Seiten verstanden und respektiert wird.“
Fehler 7: Übersehen regulatorischer AnforderungenBesonders bei regulierten Unternehmen wie Vermögensverwaltern werden die behördlichen Anforderungen oft unterschätzt. Die Aufsichtsbehörden prüfen nicht nur die Geschäftsleiter, sondern auch die neuen Inhaber. Ab einem Anteilsbesitz von nur 10 Prozent beginnt bereits die sogenannte Inhaberkontrolle mit umfangreichen Prüfungen.
Die Genehmigungsprozesse durch Aufsichtsbehörden wie die Bafin können erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Theoretisch haben diese Behörden 60 bis 90 Tage Zeit für ihre Prüfung, in der Praxis dauern die Verfahren jedoch oft sechs bis zwölf Monate. Diese Verzögerungen können Transaktionen erheblich verkomplizieren, da sich in dieser Zeit der Unternehmenswert und die Marktbedingungen verändern können.
Philipp Hendel rät: „Bei Vermögensverwaltern ist die aufsichtsrechtliche Inhaberkontrolle ein entscheidender Faktor. Kaufverträge dürfen nicht einfach vollzogen werden, sondern müssen immer mit einer aufschiebenden Bedingung versehen werden, die das Plazet der Aufsichtsbehörde voraussetzt. Dies kann bis zu zwölf Monate dauern und schafft erhebliche Unsicherheit bezüglich der Unternehmensentwicklung und des Kaufpreises.“
Jan Peter Tornow rät: „Bei der internen Nachfolge ist es ein großes Konfliktpotenzial, wenn die Tochter oder der Sohn mit neuen Ideen kommt und der Vater sagt: ,Das haben wir schon immer so gemacht.' Nicht alles, was man früher gemacht hat, ist falsch, und neuer Wind ist auch gut. Die Frage ist: Wie lange arbeiten zwei Generationen im Unternehmen zusammen? Wann ist der Punkt der Übergabe erreicht? Das muss klar definiert werden.“
Fazit: Den Generationenwechsel als Chance begreifenDie Unternehmensnachfolge gehört zu den größten Herausforderungen für den deutschen Mittelstand. Doch wer die typischen Fehler kennt und vermeidet, kann den Generationenwechsel als Chance für einen Neuaufbruch nutzen. Eine erfolgreiche Firmenübergabe ist keine spontane Aktion, sondern ein mehrjähriger, strategisch geplanter Prozess.
Die Erfahrungen von Jan Peter Tornow und Philipp Hendel zeigen: Eine frühzeitige Planung, klare Kommunikation und professionelle Begleitung sind entscheidend für den Erfolg. Mit ausreichender Vorbereitung kann die Übergabe für alle Beteiligten zu einer Erfolgsgeschichte werden. Der Übergebende erhält eine angemessene Würdigung seiner Lebensleistung, der Nachfolger bekommt ein zukunftsfähiges Unternehmen, und die Mitarbeiter gewinnen neue Perspektiven.
Über Jan Peter Tornow von Borsdorff TornowJan Peter Tornow ist Partner bei der Kanzlei Borsdorff Tornow in Hamburg und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der strategischen Beratung von Unternehmerfamilien und Familienunternehmen. Sein besonderer Fokus liegt auf Nachfolgeplanung, Familienverfassungen und Governance-Strukturen. Vor der Gründung seiner eigenen Kanzlei war er für die Berenberg Bank und deren Family Office tätig. Tornow ist zudem Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg und engagiert sich als Testamentsvollstrecker sowie im Vorstand der Gerd und Gesa Knoll Stiftung.
Über Philipp Hendel von DRRP RechtsanwältePhilipp Hendel ist geschäftsführender Partner der Münchner Boutique-Kanzlei DRRP Rechtsanwälte und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er berät regulierte Unternehmen wie Banken, Vermögensverwalter und Fintechs mit besonderem Fokus auf die aufsichtsrechtlichen Aspekte, auch bei Unternehmensübergaben. Als gefragter Referent und Autor zahlreicher Fachpublikationen gilt er als Experte für Finanzmarktregulierung. Hendel ist bekannt für seine pragmatische und lösungsorientierte Herangehensweise an komplexe regulatorische Herausforderungen.
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