Umfrage unter Privatbanken: Private-Banking-Berater müssen exzellente Beifahrer sein

Das Auto rollt langsam auf die Kreuzung zu, mein Fuß steht auf der Bremse, doch noch bevor ich diese drücke, bleibt der Wagen abrupt stehen. Mein Fahrlehrer tippt mit dem Stift gegen die Beifahrerscheibe. „Rechts vor links!", brummelt er unwirsch. Und wenn ich mit 90 Stundenkilometern über die Landstraße fahre, zögert er nicht, auch sein Gaspedal durchzudrücken.
Ganz anders verliefen die inoffiziellen Fahrstunden mit meinem Bruder, nachdem ich meine Fahrprüfung schon längst bestanden hatte. Meinen Einwand, mehrere Monate lang nicht mehr gefahren zu sein, kommentierte er mit: „Ich sage dir auch, wo es langgeht und in welchen Gang du schalten musst." Zwar lief nebenbei das Navigationsgerät, aber selten auf Deutsch, sondern meist auf Italienisch oder in anderen Sprachen – je nachdem, wohin seine nächste Urlaubs- oder Dienstreise geplant war. Ich will gar nicht wissen, wie sehr ich seine Werkstattrechnungen durch meine ungeübten Schaltmanöver in die Höhe getrieben habe.
Doch mein Bruder blieb ruhig. Er ließ sich selbst von seinem Navigationsgerät helfen, um sich darauf konzentrieren zu können, aufmerksam zu bleiben und Tipps zu geben – ohne nervös mitzubremsen oder gar ins Lenkrad zu greifen. Ganz im Gegensatz zu meinem Fahrlehrer, der mich lediglich in Ruhe einparken ließ. Welche der beiden Beifahrer-Typen besser beraten würde, ist offensichtlich.
Der ideale Berater: Persönlichkeit gewinntAnders als in der Vermögensverwaltung lenken Berater im reinen Advisory-Geschäft nicht mit, sondern beobachten das Portfolio, warnen gegebenenfalls vor Verlusten oder geben Ratschläge und Investmenttipps. Ähnlich wie angenehme Beifahrer. Und dabei ist die Persönlichkeit des Beraters erfolgsentscheidend. „Beratung ist ein People's Business und gute Berater für einen erfolgreichen Vertrieb unverzichtbar", so Carsten Wittrock, Partner des Beratungsunternehmens Zeb. Er ist Experte für Asset und Wealth Management sowie Private Banking. „Dabei kommt es auch darauf an, dass sich Berater und Kunde auf Augenhöhe begegnen", so Wittrock. Nicht jeder Beratertyp sei daher für alle Segmente geeignet.
Dem stimmt auch Karsten Junge zu. Er ist Partner beim Beratungsunternehmen Consileon und dort auf die Themen Wealth Management und Affluent Banking spezialisiert. Empathie und psychologische Kompetenzen würden immer wichtiger. „Wer heute nicht in der Lage ist, effektiv mit Kunden zu sprechen und ihre Motive rauszukitzeln, wird bald keinen Job mehr haben", ist Junge überzeugt.
Noch einen Schritt weiter geht Philipp Dobbert, Leiter Vermögensverwaltung und Chefvolkswirt der Quirin Privatbank. Die Qualität der Beratung hänge nicht von der Sachkunde des Investmentresearchs ab. „Entscheidend ist, die Ziele und Wünsche der Anleger in geeignete effiziente Portfolios zu übersetzen. Erfolgreiches Advisory ist Handwerk, keine Zauberei", so Dobbert.
Junge von Consileon bewertet dies etwas anders. Beratung braucht seiner Ansicht nach eine klare Investmentmeinung, auch wenn diese nicht vom einzelnen Berater komme, sondern sich an der Hausmeinung orientiere. Und auch Wittrock von Zeb weist darauf hin, dass die „Performance zumindest mittelfristig stimmen" muss, auch wenn gute Kundenbeziehungen Schwächeperioden aushalten würden.
Verwaltung profitabler als AdvisoryUnd diese gute Kundenbeziehung aufzubauen, ist aufwendig. „Insgesamt ist die Vermögensverwaltung das profitablere Angebot", so Wittrock. Immer mehr Institute würden versuchen, das Vermögensverwaltungsgeschäft auszubauen. Es sei im Vergleich zum Advisory weniger zeitaufwendig, zukunftssicherer mit Blick auf die Diskussion über die Provisionierung, und auch die Beratungshaftungsrisiken seien geringer. „Von daher erstaunt es, dass in manchen Häusern das Advisory sogar schlechter bepreist wird als die Vermögensverwaltung, obwohl es angesichts des Aufwands genau umgekehrt sein müsste", sagt Wittrock.
Auch wenn die Volumina im Advisory-Geschäft nach wie vor hoch seien, rechnet Zeb mit rückläufigen Zahlen. Manche Banken würden bereits auf entsprechende Angebote verzichten oder hätten die Eintrittshürden erhöht. Das führe dazu, dass andere Banken Advisory als ihr Differenzierungsmerkmal nutzen.
Umfrage unter Privatbanken zum AdvisoryDas zeigt sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage zum Advisory-Geschäft der Privatbanken, die das private banking magazin durchgeführt hat. Von den teilnehmenden Banken, die Advisory-Dienstleistungen anbieten, verzeichnete keine in den vergangenen Jahren einen Rückgang. Fast zwei Drittel der Teilnehmer geben an, dass ihr Advisory-Geschäft, gemessen am verwalteten Vermögen, in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Ein Drittel berichtet von einer stabilen Entwicklung. Insgesamt scheint das Geschäft zugunsten der Vermögensverwaltungsmandate also zurückzugehen. Institute, die sich auf die Beratung spezialisiert haben, bauen diese aber tendenziell aus.
Die meisten der teilnehmenden Privatbanken, mehr als 87 Prozent, rechnen ihre Advisory-Dienstleistungen den Umfrageergebnissen zufolge nach der Höhe des verwalteten/zu beratenden Vermögens ab, an zweiter Stelle folgen transaktionsbasierte Vergütungsmodelle. Ein Drittel der teilnehmenden Institute setzt zudem fixe Honorare und performancebasierte Vergütungsmodelle ein.
Wenig überraschend liegt der Fokus bei den angebotenen Beratungsmodellen auf der klassischen Anlageberatung, die vom Kunden geleitet wird. Diese bieten 87,5 Prozent der Umfrageteilnehmer an. An zweiter Stelle folgen gleich mehrere Modelle, die knapp zwei Drittel der Institute anbieten. Dazu zählen unter anderem die ganzheitliche Beratung, der Fokus auf ESG-Themen sowie die Beratung zu alternativen Investments wie Private Equity oder Kunst. An letzter Stelle stehen die digitale sowie die hybride Beratung, die das Advisory mit digitalen Tools kombiniert.

Passend dazu gibt die Hälfte der teilnehmenden Privatbanken an, dass die Digitalisierung, beispielsweise Robo-Advisory, ihr Beratungsgeschäft in den vergangenen drei bis fünf Jahren nicht beeinflusst habe. Ein Viertel berichtet von einem leicht positiven Einfluss. Zwölf Prozent jedoch geben eine äußerst positive Wirkung an. Noch deutlicher fällt das Votum beim Thema künstliche Intelligenz (KI) aus. Diese hat mehr als die Hälfte der Institute nach eigenen Angaben nicht beeinflusst und den Rest nur kaum bis leicht positiv.
Fragt man die Privatbanken jedoch, wie Digitalisierung und KI ihr Advisory-Geschäft in den kommenden fünf Jahren verändern werden, zeigt sich ihr wachsender Einfluss. Nur noch ein Achtel der Umfrageteilnehmer geht davon aus, dass Digitalisierung ihr Advisory nicht beeinflussen wird. Die Hälfte hofft auf einen leichten bis mittleren positiven Einfluss. Ein Viertel erwartet eine starke bis sehr starke positive Wirkung.
Seite zwei: Umfrage: Welche Faktoren werden das Advisory in der Zukunft beeinflussen?, Regulatorik, Kampf um Talente und notwendige Investitionen
Ähnlich sieht es beim Thema KI aus. Hier antizipieren fast alle Institute positive Effekte. So zum Beispiel Klaus Sojer, Leiter Private Banking Deutschland bei der Warburg Bank: „Der verstärkte Einsatz von KI und Robo-Advisory hat aus unserer Sicht das Potenzial, zu völlig neuen Geschäftsansätzen zu führen."
Dennis Herrmann, Leiter der Kundenberatung Deutschland bei der Berenberg Bank, sieht die positiven Folgen von KI bereits jetzt. Dank KI und maschinellem Lernen seien viele Prozesse effizienter und personalisierter. „KI-basierte Tools ermöglichen eine genauere Analyse von Kundendaten, was zu besseren Beratungsergebnissen für unsere Kunden führen kann", so Herrmann.

Entscheidend für Kunden bleibt beim Einsatz von KI und digitalen Tools der zwischenmenschliche Kontakt. Die LGT setzt beispielsweise KI ausschließlich ein, um interne Prozesse zu optimieren. Digitalisierung und Co. erlauben, Prozesse wie die Depotüberwachung und Anlagevorschläge zu automatisieren und individualisieren. Die Qualität steigt, während die Kosten sinken.
Regulatorik ist HemmschuhNegativ bewerten die befragten Privatbanken hingegen die Regulatorik. Mit Blick auf die vergangenen Jahre bewertet nur ein einziger Teilnehmer Mifid II und Co. positiv. Alle anderen Institute wurden nach eigenen Angaben negativ beeinflusst. So bemängelt beispielsweise Herrmann, dass Basel III und Mifid II dazu geführt hätten, dass Berenberg seine „Beratungsprozesse überprüfen und anpassen musste".
Der Gewinner seien allerdings die Kunden. Mifid habe die Offenlegungspflichten für Berater verschärft, „was den Fokus auf die Kundeninteressen verstärkte", so Herrmann. Auch Wittrock von Zeb wertet die Regulatorik als „signifikanten Hemmschuh" für das Advisory, „da der ohnehin schon hohe Informations- und Dokumentationsaufwand in den letzten Jahren noch weiter angestiegen ist".
Für die kommenden Jahre dreht sich das Bild nur leicht. Zwar wird der Einfluss von Regulatorik auf das Advisory-Geschäft leicht weniger negativ eingeschätzt, positive Effekte erwartet aber nur ein Viertel der Befragten.
Kampf um TalenteÜberraschend optimistisch sind die Umfrageteilnehmer jedoch beim Blick auf die nächste Generation. Sowohl was den Beraternachwuchs betrifft als auch die Ansprüche nachfolgender Kundengenerationen. Fast alle Institute erwarten positive Folgen, während die Branche allgemein den Fachkräftemangel beklagt. Wie auch Wittrock bestätigt. Hinzu komme der Wettbewerb der Banken untereinander, die ganze Teams abwerben würden, „um die Voraussetzungen für aggressives Wachstum zu schaffen". Das bestätigen gleich mehrere Institute. Sowohl in den Markt drängende Wettbewerber als auch etablierte Häuser würden um erfahrene Berater und ihre Kundenbücher konkurrieren.
Ohne Talente keine Zukunftssicherheit. Berater sind für den Erfolg der Banken zwar zentral, doch dürfen sie ihr digitales Angebot nicht vernachlässigen. Darauf weist Wittrock hin. Viele Institute seien noch nicht zukunftssicher aufgestellt. Ein großes Manko sei die Qualität ihrer Beratung. „Viele Analysen und Mystery Shoppings zeigen, dass der Umgang mit Kunden, die Beschäftigung mit deren persönlichen Situationen und Bedürfnissen sowie die Ausarbeitung geeigneter Anlagevorschläge bei vielen Anbietern nach wie vor ausbaufähig ist", sagt Wittrock.
Zu guter, zukunftssicherer Beratung gehöre dabei auch ein digitales Angebot. Das gelte nicht nur für Kunden, sondern auch für die Beratungsmittel, die Berater einsetzen könnten. Wittrock bemängelt: „Oftmals wird dieser Aspekt gerade bei traditionellen Instituten noch immer vernachlässigt, weil das klassische Klientel vergleichsweise alt ist." Die Zukunft liege aber in der jüngeren, digitalaffineren Generation.
Notwendige Investitionen in die BeratungDie Teilnehmer der Umfrage unserer Redaktion sind sich einig darin, dass sie diesen Wettbewerb um Kunden und Berater gewinnen wollen. Bis auf eine Privatbank investieren alle Institute bereits in ihr Advisory-Geschäft oder wollen dies spätestens im kommenden Jahr tun.
So sagt Tobias Leps von der Bethman Bank: „Um zukunftsfähig zu sein, sind laufende Investitionen notwendig. Dies betrifft die IT-Infrastruktur, den Ausbau von Produkten und Dienstleistungen und natürlich auch unser Personal." Die Akquisition von Hauck Aufhäuser Lampe unterstreiche die Ambitionen der Bank, das Advisory ausbauen zu wollen.
Herrmann von Berenberg beobachtet, dass die Nachfrage nach Anlageberatung zwar steige, sich aber dennoch Banken aus diesem Geschäft zurückziehen würden. „Daher wollen wir im Advisory personell wachsen", stellt er klar.
Bevor die Privatbanken die Arbeitsverträge ihrer zukünftigen Berater unterzeichnen, wäre es vielleicht gar keine schlechte Idee diese auf eine kleine Spritztour einzuladen, um ihre Qualitäten als Beifahrer zu testen.
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