Von den Nazis vertrieben, jetzt wieder zurück in Frankfurt: Das Bankhaus Jacob S. H. Stern eröffnet eine Finanzboutique


Horacio Villalobos / Corbis / Getty
Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln: 86 Jahre nachdem die Nationalsozialisten die Schliessung des deutsch-jüdischen Bankhauses Jacob S. H. Stern erzwungen haben, kehrt die Familie mit einer Asset-Management-Boutique an den Main zurück. Leiter des Deutschland-Geschäfts von J. Stern & Co. Ltd. wird Andreas Krebs, langjähriger Managing Director und Partner des französischen Vermögensverwalters Mandarine Gestion.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Gegründet wurde die Boutique im Jahr 2012 in London von Jérôme Stern und Christopher Rossbach. Es ist eine partnerschaftlich organisierte Investment-Boutique mit Hauptsitz in London und Niederlassungen in New York, Zürich und auf Malta sowie 45 Mitarbeitern.
Emotionale RückkehrJérôme Stern entstammt der Pariser Linie der Sterns. Er wurde in Genf geboren, hat in St. Gallen studiert und spricht ausgezeichnet Deutsch. Die Rückkehr nach Frankfurt ist für die Familie mit vielen Emotionen verbunden. «Aber die Reaktionen innerhalb der Familie waren sehr positiv, gerade weil unsere Geschichte in Frankfurt auch für uns schwierige Kapitel enthält. Wir schauen aber in die Zukunft und sehen in Deutschland grosses Potenzial», sagt Jérôme Stern.
In der Mainmetropole erinnert noch so manches an das einstige Bankhaus Jacob S. H. Stern und die Familie, zum Beispiel der Theodor-Stern-Kai, die Theodor-Stern-Stiftung oder die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. Mit der Niederlassung wolle man wieder zu einem vertrauensvollen Partner für Investoren in Deutschland werden, sagt Stern. Beim Ausbau des Kundenbetreuungs- und Vertriebsteams baue man «auf der 220-jährigen Bankierstradition meiner Familie auf».
Das 1805 gegründete Bankhaus Jacob S. H. Stern war im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine der grössten Privatbanken Deutschlands. Es ist zwar weniger bekannt als die ebenfalls in Frankfurt gegründeten Bankhäuser Rothschild und Goldschmidt, war aber nicht minder bedeutend. Wie die Rothschilds, mit denen die Sterns familiär verbandelt sind, expandierten auch die Sterns schon früh ins Ausland, etwa nach Paris und London.
Die Bank entstand aus einem Ende des 18. Jahrhunderts gegründeten Weinhaus. Nach und nach wurden Finanzdienstleistungen angeboten. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert beteiligte sich das Institut an Emissionen vieler nationaler und internationaler Staatsanleihen, etwa für Portugal, Argentinien, das Osmanische Reich oder China.
Auch an der umfangreichen Anleihe zur Finanzierung der französischen Kriegsentschädigungen an das Deutsche Reich nach dem Krieg von 1870/71 war die Bank beteiligt. Der Spezialist für Wertpapieremissionen finanzierte nach einem verheerenden Erdbeben den Wiederaufbau der Infrastruktur in Portugal. Ausserdem war die Bank an der Gründung renommierter Unternehmen wie der Metallgesellschaft oder diverser Eisenbahngesellschaften beteiligt.
Das Bankhaus Jacob S. H. Stern hatte einen Sitz im obersten Verwaltungs- und Aufsichtsorgan der Reichsbank, dem «Zentralausschuss», und war Partner der Deutschen Bank bei deren Auslandsexpansion.
Der grösste Teil des Vermögens der Familie ging verloren, nachdem sie aus Nazideutschland vertrieben worden war. Später gab es teilweise Entschädigungen. Die Sterns bauten zunächst mit einem sehr kleinen Teil des verbliebenen Vermögens in New York wieder neue Positionen auf. 1988 verkauften sie ihre Banque Stern für 1,75 Milliarden Franken an den Schweizer Bankverein (jetzt UBS). Heute leben die Familienmitglieder in der Schweiz, Frankreich, den USA und Grossbritannien.
Etwa 20 Prozent der Assets von J. Stern & Co. Ltd. werden von Mitgliedern der Familie, Partnern und Mitarbeitern gehalten. Die Familie trägt das Risiko also mit.
Consumer, IT, Gesundheit und IndustrieDer Schwerpunkt von J. Stern & Co. Ltd. liegt auf Investitionen in globale Aktien. Das Flaggschiff des Hauses, der World Stars Global Equity Fund, wurde im Oktober 2012 aufgelegt und kommt auf ein verwaltetes Vermögen von 2 Milliarden Dollar. Im ersten Halbjahr 2025 gab es Nettomittelzuflüsse von 300 Millionen Dollar. Der Wertzuwachs pro Jahr beträgt seit dem Start 11,5 Prozent pro Jahr.
J. Stern investiert jedoch auch in Anleihen von Qualitätsunternehmen in Schwellenländern, hat einen Fonds nur mit amerikanischen Werten und verfolgt eine Multi-Asset-Strategie vor allem für Stiftungen und Family-Offices. Zu den Kunden gehören auch Pensionsfonds, Versicherungen und institutionelle Anleger. Insgesamt verwaltet die Asset-Management-Boutique 2,4 Milliarden Dollar.
In der gegenwärtig schwierigen Lage investiert die Boutique mehr denn je in grosse Qualitätsunternehmen mit Wettbewerbsvorteilen und guten Wachstumsperspektiven. J. Stern setze auf die Bereiche Consumer, IT, Gesundheit und Industrie – auf Unternehmen, die Lösungen für Probleme wie eine nachhaltige Energieerzeugung oder eine sichere Wasserversorgung anböten, sagt der Partner und Investmentchef Christopher Rossbach.
Das Portfolio umfasst derzeit 30 Werte: Nvidia, der Chipmaschinenhersteller ASML, Amazon, Alphabet, der Schweizer Baustoffkonzern Sika sowie Nestlé sind im Portfolio. «Wir beteiligen uns an Weltmarktführern mit Börsenkapitalisierungen von über 25 Milliarden Euro», sagt Rossbach.
nzz.ch