Was ändert sich nun an der Militärhilfe für die Ukraine? Noch wirkt der neue Trump-Plan unausgereift und vage


Valentyn Ogirenko / Reuters
Der amerikanische Präsident Donald Trump hat am Montag in seiner mit Spannung erwarteten «grossen Erklärung» zur Ukraine zumindest in einem Punkt Klarheit geschaffen: Er sperrt sich nicht mehr gegen die Idee, Waffen nach Europa zu liefern, die der Ukraine im Krieg gegen Russland helfen sollen. Die entscheidende Bedingung ist für ihn einfach, dass nicht die USA, sondern die europäischen Nato-Partner die Finanzierung dieser Waffen übernehmen. «Wir kaufen sie nicht, aber wir werden sie herstellen. Und sie werden sie bezahlen», sagte er an die Adresse der Europäer während seines Treffens mit dem Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Oval Office.
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Im Grunde ist dies kein neuer Plan. Vertreter der Administration Biden hatten dieses Modell schon vor einem halben Jahr während des Regierungswechsels mit Trumps Team besprochen. Aber der neue Präsident legte sich monatelang nicht fest. Vorrang hatte für ihn, die Rolle des Friedensvermittlers zwischen Russland und der Ukraine zu spielen. Nun gibt er selber zu, dass ein Abkommen nicht so schnell erreichbar ist und die Ukraine dringend Waffen benötigt. Aber selbst jetzt zeigt er eine gewisse Ambivalenz. In den Details wirkt der Plan noch unausgereift und voller offener Verhandlungspunkte.
Werden weitere Monate verstreichen?Trump überspielte dies mit vollmundigen Ankündigungen. Mehrere Batterien des Flugabwehrsystems Patriot könnten innerhalb von Tagen geliefert werden. Waffen im Wert von mehreren Milliarden Dollar würden bald transferiert. Der Präsident sprach auch von einem ungenannten Land, das 17 Patriot-Systeme nicht mehr benötige. Die Idee ist offenbar eine Art Ringtausch, bei dem die Europäer die Finanzierung sicherstellen und die Luftverteidigung der Ukraine gestärkt wird.
Für die Führung in Kiew, die derzeit über etwa 7 Patriot-Batterien verfügt und 10 weitere erbeten hat, wäre dies ein grosser Erfolg. Patriot-Systeme leisten bei der Abwehr von russischen Raketen und Marschflugkörpern hervorragende Dienste, schützen derzeit aber erst wenige Zonen im Land, vor allem die Hauptstadt Kiew.
Trumps Angaben sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln. Es gibt nach öffentlich verfügbaren Quellen kein Land, das 17 Patriot-Batterien herumstehen hat. Am ehesten ist Israel gemeint, das seine Flugabwehr modernisiert und nach unbestätigten Angaben 8 Batterien ausmustert, wovon eine gewisse Anzahl Abfangraketen bereits in der Ukraine eingetroffen sein soll. Möglicherweise hat sich Trump bei der Zahl geirrt, oder er meinte nicht Batterien, sondern Startgeräte, von denen es in jeder Batterie 6 bis 8 Stück gibt.
Voraussichtlich müssten die israelischen Geräte jedoch zuerst überholt werden, bevor sie bereit für einen Transfer in die Ukraine sind. Daher ist die optimistische zeitliche Prognose Trumps mit einem Fragezeichen zu versehen. Einen anderen Zeitrahmen nannte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Washington-Besuch am Montag. Er sprach von einer Lieferung innert Monaten, falls jetzt eine Entscheidung über die Patriots falle. Pentagon-Beamte sagten gegenüber der «New York Times», dass es noch viele Details geklärt werden müssten.
Hinzu kommen offene Finanzierungsfragen. Festzustehen scheint derzeit nur, dass Deutschland 2 und Norwegen eine zusätzliche Patriot-Batterie für die Ukraine zu finanzieren bereit sind. Aber die Regierung in Berlin will aus verständlichen Gründen ein breiteres Engagement innerhalb Europas. Laut Pistorius verfügt Deutschland nur noch über 6 seiner 12 Patriot-Systeme, nachdem es 3 an die Ukraine abgegeben und 2 vorläufig nach Polen an die Nato-Ostflanke verlegt hat. Nun müssten bei dem neuen Patriot-Plan mehr Länder mithelfen: «Das ist ein Appell an alle anderen europäischen Mitgliedstaaten der Nato. Hier müssen alle gewissermassen ihre Portemonnaies öffnen», sagte er gegenüber der ARD.
Welche Portemonnaies nun gezückt werden, bleibt abzuwarten. Am EU-Aussenministertreffen vom Dienstag in Brüssel gab es keine neuen Angebote, dafür Hinweise auf erheblichen Verhandlungsbedarf. Die Formulierung des deutschen Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt, Gunther Krichbaum, wonach «bei gutem Willen» alles schnell gehen könnte, deutet an, dass die Willensbildung noch bevorsteht. Krichbaum erwähnte auch zwei grundlegend verschiedene Arten der Finanzierung: entweder durch einzelne Staaten oder durch die EU insgesamt. Letzteres wäre ein neuer Akzent, denn die EU spielt bei der Militärhilfe an die Ukraine im Vergleich zu den Aufwendungen der Mitgliedstaaten erst eine untergeordnete Rolle.
Die USA sind als Financier ersetzbarUnabhängig davon stellt sich die Frage, was es für Europa bedeutet, wenn die USA als direkter Unterstützer der Ukraine wegfallen sollten und nur noch die Rolle eines Waffenverkäufers spielen wollen. Die Befürchtung über weitere finanzielle Lasten ist in der EU verbreitet. Doch ein Blick auf die Zahlen relativiert dies stark.
Die USA leisteten bisher Militärhilfe an die Ukraine im Umfang von rund 20 Milliarden Dollar pro Jahr. Wenn künftig die europäischen Mitglieder der Nato diesen Betrag schultern, entspricht dies nur 0,09 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Das ist verschwindend wenig gemessen am neuen Ziel der Nato, die Verteidigungsausgaben von 2 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts anzuheben. Die Ukraine-Hilfe darf dem Nato-Ausgabenziel angerechnet werden und bedeutet deshalb keine zusätzliche Last. Es dürfte zudem in vielen Fällen besser investiertes Geld zur Abwehr Russlands sein, als eigene Kapazitäten für einen Kriegsfall aufzubauen.
Und die übrigen Waffen?Die bisher bekannten Bruchstücke des Trump-Plans betreffen die Patriot-Abwehrsysteme. Offen bleibt, inwieweit auch anderes Militärmaterial mithilfe des neuen Finanzierungsmodells in die Ukraine fliessen wird. Die Ukraine ist bei einer Reihe von Waffenarten auf die USA angewiesen, weil die europäische Rüstungsindustrie nicht in die Lücke springen kann. Dazu zählt Präzisionsmunition für Himars-Raketenwerfer. Damit hat die Ukraine kürzlich die Kommandozentrale einer feindlichen Brigade getroffen und auf einen Schlag deren gesamte Führungsspitze sowie den Chef der russischen Marineinfanterie getötet. Der vom Pentagon kürzlich verhängte Lieferstopp betraf allerdings auch die Himars-Munition.
Trump hat solche Angriffe tief im russischen Hinterland in der Vergangenheit kritisiert. Nun scheint er ihnen offener gegenüberzustehen. Wie die «Financial Times» und die «Washington Post» am Dienstag unter Berufung auf Insider berichteten, fragte er seinen Amtskollegen Wolodimir Selenski bei einem Telefonat kürzlich, ob die Ukraine auch Moskau oder St. Petersburg angreifen könne. Es gehe darum, Russland empfindlicher zu treffen. Selenski soll die Frage bejaht haben, «wenn Sie uns die Waffen dafür geben».
Möglich wäre dies beispielsweise mit amerikanischen Tomahawk-Marschflugkörpern. Doch ein solcher Transfer ist höchst unwahrscheinlich, zumal Trump Selenski noch vor Monaten vorgeworfen hat, einen «dritten Weltkrieg» zu riskieren. Hingegen erhofft sich die Ukraine amerikanische Raketen und Marschflugkörper kürzerer Reichweite, mit denen sie die russischen Aufmarschgebiete 100 bis 300 Kilometer hinter der Front treffen könnte.
nzz.ch