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Nach Rausschmiss des Oberbürgermeisters: Ein Wessi soll in Potsdam ein SPD-Desaster verhindern

Nach Rausschmiss des Oberbürgermeisters: Ein Wessi soll in Potsdam ein SPD-Desaster verhindern

Haben die denn keine eigenen Leute? Das ist wohl die häufigste Reaktion auf eine überraschende Personalie: Severin Fischer, derzeit Wirtschaftsstaatssekretär in Berlin, soll für die SPD neuer Oberbürgermeister von Potsdam werden. So viel ist sicher: Ein Selbstläufer wird das nicht. Das Dauer-Abo auf den Posten – seit 1990 immer in SPD-Hand – könnte bald enden.

Dass es überhaupt einen neuen Kandidaten für den gewichtigsten kommunalpolitischen Posten Brandenburgs braucht, hat sich die dortige SPD selbst zuzuschreiben. Oder besser: Mike Schubert. Ihm wurden so lange Korruption – er hatte sich und seine Frau allzu freizügig zu Sportveranstaltungen einladen lassen – und mangelhafte Amtsführung vorgeworfen, bis er in der Stadtverordnetenversammlung von Potsdam nur noch von den eigenen Leuten geduldet wurde. Alle anderen wollten ihn loswerden. Am Ende stimmten die Bürger für die Abwahl. Schubert musste nach fast sieben Jahren gehen – ein Jahr vor dem Ende seiner regulären Amtszeit.

Der letzte Gang: Mike Schubert, abgewählter Oberbürgermeister von Potsdam, nachdem er ein Statement zu seiner Abwahl gegeben hat
Der letzte Gang: Mike Schubert, abgewählter Oberbürgermeister von Potsdam, nachdem er ein Statement zu seiner Abwahl gegeben hatChristoph Soeder/dpa

Dennoch fragen sich jetzt viele, wie die Brandenburger SPD auf der Suche nach einem Nachfolgekandidaten überhaupt auf Severin Fischer aus Berlin gekommen ist. Aus der Partei heißt es, man habe Fischer gezielt angesprochen, dieser habe sich nicht beworben.

Die Gründe für die überraschende Personalie sind vielschichtig. Und sie liegen – neben Fischers beruflichen Qualifikationen – anscheinend vor allem in der Potsdamer Kommunalpolitik. Mike Schuberts Ende nach jahrelangem Streit habe in der Stadtverordnetenversammlung verbrannte Erde hinterlassen, heißt es. Natürlich habe man zunächst die eigenen Reihen durchleuchtet: Doch es gab niemanden – zumindest niemanden, der unbelastet war. Recht bald sei der Gedanke einer Lösung von außen gereift, heißt es. Soll heißen: Der Neue soll für Ruhe sorgen.

SPD Brandenburg: Schuberts Ende hinterlässt verbrannte Erde

Die Wahl des neuen Oberbürgermeisters findet am 21. September statt. Wenn im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit von 50 Prozent erreicht, werden die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen am 12. Oktober in einer Stichwahl antreten.

Das bedeutet, dass dem Import Fischer nicht viel Zeit bleibt, sich beim Potsdamer Wahlvolk einen Namen zu machen. Das wird bitter nötig sein, denn dort kennt ihn nicht nur niemand, der 42-Jährige weist auch mindestens zwei biografische Merkmale auf, die ihn nicht gerade als natürlichen Gewinner erscheinen lassen: Severin Fischer wurde in Franken geboren und arbeitet (und lebt) seit Jahren in Berlin, mit Potsdam hatte er in den vergangenen Jahren allenfalls ab und an beruflich zu tun.

Franziska Giffey, Berliner Wirtschaftssenatorin, könnte einen ihrer engsten Weggefährten verlieren.
Franziska Giffey, Berliner Wirtschaftssenatorin, könnte einen ihrer engsten Weggefährten verlieren.Annette Riedl/dpa

Politisch geprägt wurde Fischer durch seine auffällige Nähe zu Franziska Giffey. 2018 wurde er Chef ihres Leitungsstabes im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er galt schnell als eines der wichtigsten Mitglieder in ihrem Netzwerk. Da passte es ins Bild, dass Giffey ihn zu ihrem Nachfolger an der Spitze der Neuköllner SPD machte.

Als die Chefin wegen des Ärgers um ihre Diplomarbeit als Ministerin zurücktrat, blieb Fischer zunächst dort. Als Giffey jedoch 2021 Regierende Bürgermeisterin wurde, machte sie Fischer zum Chef der Senatskanzlei. Und als sie 2023 Wirtschaftssenatorin wurde, holte sie ihn als Staatssekretär, zuständig für Energie und Betriebe, zu sich.

Verwaltungserfahrung sollte Fischer also ausreichend haben – das mag passen für eine Landeshauptstadt mit 188.000 Einwohnern. Aber ist es genug an Qualifikation? Braucht es keinen Stallgeruch oder zumindest tieferes Wissen über das neue Arbeitsgebiet?

Als Chef der Senatskanzlei in Berlin war Severin Fischer auch für die Metropolregion und Medienpolitik – und damit vor allem den RBB – zuständig, als Staatssekretär sitzt er jetzt in den Aufsichtsräten von länderübergreifenden Unternehmungen wie dem BER, dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) oder dem Medienboard Berlin-Brandenburg. Er kenne also Brandenburg und Potsdam, sagen seine Fürsprecher, müsse sich nicht erst einarbeiten.

Dennoch ist und bleibt Fischer einer von außen, aus dem Moloch, wie viele Brandenburger Berlin gerne nennen. SPD-Generalsekretär Kurt Fischer (nicht verwandt, nicht verschwägert) möchte kein Problem erkennen. „Der Unterschied zwischen Berlin und Potsdam ist viel kleiner als der zwischen der Uckermark und Potsdam“, sagt er der Berliner Zeitung.

Bleibt der Elefant im Raum: Fischer ist Wessi. Ach, auch das sei kein Problem, sagt der Generalsekretär. Zumindest nicht in Potsdam, dort sei man in der Ost-West-Debatte „nicht so engstirnig“ wie anderswo.

Potsdam: Kommt jetzt die Einheitsfront gegen die AfD?

In Potsdam wird nun mit Spannung erwartet, wie sich die anderen Parteien für die Bürgermeisterwahl aufstellen. CDU, Linke und Grüne, die Schuberts Sturz gemeinsam vorantrieben, haben noch keine Kandidaten genannt. Möglicherweise würde die eine oder andere Partei verzichten und sich hinter SPD-Kandidat Fischer versammeln, heißt es aus Potsdam.

Ein Gegenkandidat steht jedenfalls schon fest, Chaled-Uwe Said von der AfD. Er hat auch schon gesagt, was ihm für die Stadt vorschwebt: „Schluss mit ideologischer Verkehrspolitik, Priorität für die Sicherheit unserer Bürger und ein klares Nein zur illegalen Zuwanderung.“ Said wurde 1974 in Dresden geboren, hat Verwaltungswissenschaften studiert und wohnt seit 1998 in Potsdam.

Berliner-zeitung

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