NRW hat gewählt – was das für Berlin bedeutet

Am Tag nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen hat das Rätselraten darüber begonnen, was die Ergebnisse im bevölkerungsreichsten Bundesland mit Berlin zu tun haben. Diese lauten: CDU: 33,3 Prozent (minus 1,0); SPD: 22,1 Prozent (minus 2,2); AfD: 14,5 Prozent (plus 9,4); Grüne: 13,5 Prozent (minus 6,5).
Zudem: Nur in wenigen Großstädten wurden die Oberbürgermeister im ersten Wahlgang gewählt, fast überall gibt es in 14 Tagen Stichwahlen. Welche Schlüsse zieht die Berliner Politik daraus – insbesondere mit Blick auf die im nächsten Jahr bevorstehende Abgeordnetenhauswahl?
Zuerst und am lautesten reagierte die Berliner AfD – und das, obwohl die vorher prognostizierte „blaue Welle“ in Nordrhein-Westfalen nicht die Wucht entfaltete, die ihr mancher zugetraut hatte. So blieb die Partei in NRW sogar unter ihrem Ergebnis dort bei der Bundestagswahl im Februar. Allerdings war sie diesmal auch nicht in allen Kreisen und Gemeinden mit eigenen Kandidaten angetreten. Und auf der Habenseite steht ganz sicher, dass in Gelsenkirchen der OB-Kandidat der AfD in die Stichwahl gegen einen Sozialdemokraten gehen kann.
AfD: Die CDU sollte sich überlegen, ob sie weiter rot-grüne Politik machen will„Es ist ein großartiger Erfolg für die AfD in NRW, dass sie ihr Ergebnis gegenüber der letzten Kommunalwahl fast verdreifachen konnte, bei einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung“, ließ die Berliner Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker verbreiten. „Dieses Ergebnis wird uns viel Rückenwind geben für das Superwahljahr 2026, in dem auch das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird.“

Doch Brinker richtet den Blick vor allem auf das Ruhrgebiet, wo die AfD erwartungsgemäß besonders gut abgeschnitten und der SPD klassische Wähler aus der Arbeiterschaft abgerungen hat. „Im Übrigen zeigen die bisher vorliegenden Prognosen, dass auch in der einstigen Herzkammer der SPD eine klare Mehrheit für konservative Politik besteht. Die Union sollte sich gut überlegen, ob sie weiterhin rot-grüne Politik gegen die konservative Mehrheit machen will.“
Nun, die CDU feierte zunächst einmal ganz für sich ihr Ergebnis an Rhein und Ruhr. So gratulierte die Bundestagsabgeordnete und Berliner Generalsekretärin Ottilie Klein bereits den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, als der Wahlabend noch ganz jung war: „Starkes Prognose-Ergebnis für die CDU. Mit deutlichem Abstand stärkste kommunale Kraft.“
Starkes Prognose-Ergebnis aus NRW für die CDU. Mit deutlichem Abstand stärkste kommunale Kraft. 💪 Herzlichen Glückwunsch, @CDUNRW_de! https://t.co/zsIJ2XhP5n
— Ottilie Klein (@Ottilie_Klein) September 14, 2025
Und auch die AfD weiß: Das Ruhrgebiet ist eben nur ein Teil von NRW, in anderen Regionen fallen die Ergebnisse deutlich anders aus. Rein rechnerisch ist dabei Köln, die einzige Millionenstadt in NRW, am ehesten mit Berlin vergleichbar. Aber sind die Ergebnisse auch übertragbar? Und wenn ja, was mögen sie für Berlin bedeuten?
In Köln ging es bei den Oberbürgermeister-Wahlen um die Nachfolge der parteilosen, von CDU und Grünen unterstützten Henriette Reker, die nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antrat. Am Ende setzte sich im ersten Wahlgang die Grünen-Frau Berivan Aymaz mit 27,6 Prozent vor Torsten Burmester (SPD) durch, der auf 21,6 Prozent kam. In zwei Wochen kommt es zur Stichwahl.
NRW-Ergebnisse wären für Grüne und SPD in Berlin ein TraumÜbertragen auf Berlin lässt sich zunächst einmal sagen, dass beides Traumergebnisse für die jeweiligen Parteien wären. Das gilt mit Abstrichen auch noch für die Werte der Kölner Ratswahl, bei der die Grünen mit 25,05 Prozent auf Platz eins kamen und die SPD mit 19,88 Prozent an dritter Stelle liegt. Zum Vergleich: Bei der jüngsten, inzwischen aber auch schon drei Monate zurückliegenden Berliner Umfrage landeten die Grünen auf Platz drei mit 15 Prozent, dicht gefolgt von der SPD mit 14 Prozent auf dem vierten Platz. Ganz vorne liegt die CDU vor der Linken.

Was auch auffällt: Man muss schon sehr ins Detail gehen, um einen blauen Fleck auf der Wahlkreiskarte Köln zu erkennen. In Chorweiler, einem der 86 Kölner Stadtteile, war mit 27,8 Prozent der AfD-Kandidat für die OB-Wahl ganz vorne. Für Kristin Brinker zeigt das Kölner Ergebnis deswegen auch, dass Großstädte „eher links-grün sind“, also schwierige Pflaster für die AfD bleiben.
Genau dieser Befund lässt Nina Stahr recht zufrieden auf die NRW-Wahlen blicken. Natürlich ist auch die Berliner Grünen-Chefin mit einem Minus von 6,5 Prozent für die als Juniorpartner von Hendrik Wüst und seiner CDU mitregierenden Parteifreunde nicht glücklich, wie sie im Gespräch mit der Berliner Zeitung sagt. Allerdings sei es immer noch das zweitbeste Ergebnis nach der Rekordwahl von 2020. Gleichzeitig betont sie die Stärke der Partei in Köln. Und in der Landeshauptstadt Düsseldorf zieht ebenfalls eine Grüne in die Stichwahl, wenn auch mit riesigem Abstand auf Platz zwei hinter dem Amtsinhaber von der CDU. So heißt es für die Grünen: Das Glas ist halb voll oder halb leer, eine echte Analyse oder gar ein Fingerzeig für die Berliner Wahlen im nächsten Jahr fallen recht schwer.
Und auch die Berliner SPD möchte das NRW-Ergebnis in Gänze und das Kölner Ergebnis im Besonderen nicht allzu hoch bewerten. Eine Kommunalwahl sei nicht einmal vergleichbar mit einer Landtagswahl. Und außerdem: „Köln ist Köln.“ Soll vor allem heißen: Berlin ist anders.

Auch bei der Linken, in Berlin seit Monaten auf einer ungeahnten Welle des Erfolgs unterwegs, wird man das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen zu lesen wissen. Landesweit holte sie dort mit 5,6 Prozent sicher nicht die Sterne vom Himmel. In der Metropole Köln hingegen schnitt die Linke vergleichsweise gut ab. Bei der Wahl zum Stadtrat kam sie immerhin auf 10,8 Prozent – und im Stadtteil Kalk sogar auf Platz eins.
Dazu muss man wissen: Dem Portal Köln-Lotse zufolge genießt Kalk einen schwierigen Ruf. Trotz aller Bemühungen werde Kalk weiterhin als sozialer Brennpunkt bezeichnet, heißt es. Kriminalität, Drogen und soziale Missstände hätten dem Stadtteil diesen zweifelhaften Ruhm eingebracht. Ähnliches wird bekanntlich vielfach auch von Neukölln gesagt, der Linke-Hochburg in Berlin.
Berliner-zeitung