Sechs Jahre E-Scooter: Kommt das Ende fürs Gehweg-Parken der Leihroller?

Kein Fahrzeug mit zwei Rädern ist wohl so umstritten: Seit fast sechs Jahren flitzt in Deutschland etwa eine Million E-Scooter - ein Fünftel davon Leihroller - über die Straßen. Paris hingegen hat sie inzwischen komplett verbannt. Die einen lieben sie als schnelle Alternative für den direkten Weg von A nach B. Die anderen sind genervt, weil sie den wendigen Rollern im Straßenverkehr ausweichen müssen oder auf dem Gehweg über abgestellte Exemplare stolpern.
Zwar sind die Wogen inzwischen durch Änderungen in der Straßenverkehrsordnung und bessere Zusammenarbeit von Anbietern und Kommunen geglättet. Doch ein geplantes Gehweg-Parkverbot für Leih-Scooter sorgt für neue Unruhe, speziell in der Branche.
Der Grund dafür: Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat ein Vorhaben von seinem Vorgänger Volker Wissing (parteilos) aufgegriffen und dieses nachgeschärft. Im Kern geht es laut Ministerium bei der Novelle darum, die Regelungen für E-Scooter an diejenigen für den Radverkehr anzugleichen. Ein Schwerpunkt sind dabei die neuen Parkregelungen.
Wissings ursprünglicher Entwurf sah vor, dass E-Scooter ebenso wie Fahrräder auch auf Gehwegen und in Fußgängerzonen abgestellt werden dürfen - vorausgesetzt: Es bleibt noch ausreichend Platz für die Fußgänger. Deren Lobby hingegen protestierte: Ältere und Gehbehinderte hätten dennoch das Nachsehen. Im aktuellen Entwurf gilt die Möglichkeit, auf Gehwegen und in Fußgängerzonen frei zu parken, nun nur noch für E-Scooter und Fahrräder im Privatbesitz, aber nicht mehr für Mietfahrzeuge. Für Letztere muss das Abstellen als Sondernutzung genehmigt und auch bezahlt werden.

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„Wir schaffen jetzt Rechtsklarheit“, sagte Schnieder dazu dem „Tagesspiegel“. Anbieter und Kommunen sollen die Abstellregelungen miteinander verhandeln und passende Konzepte ausarbeiten. Und dieses Konzept könne dann vom Parken auf gekennzeichneten Flächen über feste Park-Stationen bis hin zur freien Parkplatzwahl, inklusive Bürgersteig und Fußgängerzone, reichen, so Schnieder.
E-Scooter-Anbieter sehen dennoch Probleme. „Jede Form des Free-Floating-Modells müsste künftig über eine Sondernutzungserlaubnis geregelt werden – auch in kleinen und mittelgroßen Städten, in denen es bislang keine entsprechenden Verfahren gibt“, kritisiert die Plattform Shared Mobility (PSM). In ihr sind Anbieter wie Voi, Bolt, Uber und Lime zusammengeschlossen. In Großstädten sei das noch machbar, dort gäbe es dafür häufig schon Prozesse. In kleinen und mittelgroßen Städten hingegen käme eine solche Regelung oft einen „De-facto-Abstellverbot“ gleich.
Die Anbieter setzen deshalb darauf, dass der neue Entwurf nachgebessert wird. Grundsätzlich sei eine klarere Regelung zur Nutzung und zum Abstellen der E-Scooter willkommen, betont PSM. „Selbstverständlich ist es wünschenswert, wenn Kommunen mit Anbietern lösungsorientierte Regelungen finden, inklusive klar definierter Parkzonen und gemeinsam abgestimmter Standards.“ Diese Zusammenarbeit funktioniere in vielen Städten bereits gut.
Das betont auch Anbieter Bolt, der 2021 auf den deutschen Markt kam und derzeit in gut 60 Städten E-Scooter-Flotten unterhält - in den meisten Großstädten sowie in vielen kleineren Städten und Kommunen. Gerade dort sei flexible Mobilität wichtig, weil es oft nur begrenzte Alternativen gebe, sagt Balthasar Scheder, General Manager bei Bolt.
Balthasar Scheder, General Manager bei Bolt
Insgesamt ist man dort zufrieden mit der Entwicklung der vergangenen Jahre. „Wir sehen, dass die Nachfrage nach Mikromobilität kontinuierlich steigt. Es gibt mehr Nutzer, und die einzelnen Nutzer fahren öfter“, sagt Scheder, ohne weitere Zahlen zu nennen. Der Austausch mit den Kommunen sei maßgeblich, um lokal passende Lösungen zu finden. Viele Städte stellten dann auch Parkflächen zur Verfügung. „Und in diesen Städten nehmen die Beschwerden ab“, stellte Scheder fest.
Wichtiges Instrument seien auch Parkverbotszonen. „Sie verhindern über Geofencing, dass Kunden in gewissen Zonen Fahrzeuge abstellen.“ Nach Anregungen aus mehreren Städten sei man inzwischen beispielsweise dazu übergegangen, in ganz Deutschland proaktiv vor Altenheimen Parkverbotszonen einzurichten.
Doch es gibt auch potenziell gefährliche Situationen, etwa Fahrten mit Alkohol im Blut oder mit mehreren Personen auf dem Trittbrett. Einige Anbieter, darunter auch Bolt, setzen deshalb mittlerweile auf (freiwillige) Reaktionstests vor Beginn der Fahrt. Reagiert man zu spät, wird der Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel empfohlen. Stehen mehrere Menschen auf dem Roller, ist das durch die langsame Beschleunigung zu messen. „Wir können auffällige Kunden identifizieren, ihnen Warnmeldungen schicken und sie nach mehreren Verstößen dann auch von der Plattform ausschließen“, berichtet Scheder.
Offen bleibt jedoch auch nach sechs Jahren eine generelle Antwort auf den Beitrag der E-Tretroller zur Verkehrswende. Hierzu gibt es verschiedene Studien. Unterm Strich steigt demnach die Nachhaltigkeit, je langlebiger die Fahrzeuge und ihre Batterien sind und je öfter sie anstatt eines Autos genutzt werden. Schlechter wird die Bilanz hingegen, wenn man Wege zurücklegt, die man sonst zu Fuß gegangen oder geradelt wäre. Das ist laut Umweltbundesamt derzeit noch zu häufig der Fall.
rnd