Wissenschaftler haben den bisher synthetischsten Organismus geschaffen

Wissenschaftler haben ein neues Bakterium geschaffen, dessen genetischer Code weitaus einfacher und modifizierter ist als der jedes anderen Lebewesens auf der Erde.
Ein synthetischer Stamm des Bakteriums Escherichia coli namens Syn57 wurde so konstruiert, dass er seinen Körper aus nur 57 der 64 Codons aufbaut, die die grundlegende Sprache des Lebens bilden. Dies ist der bisher kleinste genetische Bauplan.
Ein Codon ist die Bezeichnung für eine Einheit aus drei Nukleotiden (drei Buchstaben) in DNA oder RNA. Das DNA- und RNA-Alphabet besteht aus vier Buchstaben (Nukleotiden): A, T, G und C. Diese Buchstaben sind in Dreiergruppen angeordnet. Jedes Triplett bzw. Codon hat eine Bedeutung.
Das Rezept des Lebens basiert auf 64 verschiedenen Codons, die jeweils aus drei Nukleotiden bestehen. Durch das Lesen dieser dreibuchstabigen Codons bestimmen Zellen, welche Aminosäuren produziert und in welcher Reihenfolge sie der Proteinkette hinzugefügt werden.
Allerdings gibt es im natürlichen System unnötige Wiederholungen; Lebewesen können mit 20 Aminosäuren überleben, sodass viele Codons dieselbe Funktion haben.
VON GRUND AUF ENTWICKELT
Forscher des Molecular Biology Laboratory des Medical Research Council in Großbritannien haben das gesamte Genom der Bakterien von Grund auf neu gestaltet, um diese Duplikationen zu beseitigen. Für einige Prozesse wurden mehr als 101.000 Änderungen am genetischen Code vorgenommen.
Nachdem die genetischen Komponenten am Computer entworfen wurden, wurden sie in kleinen Abschnitten auf Bakterien übertragen und getestet. Diese Teile wurden dann zu einem vollsynthetischen, funktionsfähigen Bakterium kombiniert.
„Manchmal fragten wir uns, ob wir wirklich in einer Sackgasse steckten oder ob wir das zu Ende bringen könnten“, sagte der synthetische Biologe Wesley Robertson, einer der Hauptautoren der Studie, und verwies auf die Herausforderungen des Prozesses.
NEUE HORIZONTE
Syn57 zeigt, dass Leben durch eine starke Komprimierung des genetischen Codes erhalten werden kann. Darüber hinaus können ungenutzte Codons für andere Aufgaben umfunktioniert werden. Dies eröffne die Möglichkeit, neue synthetische Polymere und Makrozyklen zu entwickeln, so die Forscher.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der ungewöhnliche genetische Code von Syn57 nicht von Viren gelesen werden kann. Diese Eigenschaft könnte virale Verluste bei der industriellen Proteinproduktion durch Bakterien reduzieren.
Darüber hinaus kann die Tatsache, dass sich diese genetisch veränderten Bakterien nicht vermehren können, wenn sie in die natürliche Umwelt gelangen, einen Vorteil im Hinblick auf die Biosicherheit bieten.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
ntv