Russland | »Nationaler Messenger« Max: Patriot mit Gottes Beistand
Was haben die Rapperin Instasamka (»Instagram-Weibchen«) aka Darja Sotejewa und der Priestermönch Makarij, Pressesprecher der Eparchie Iwanowo-Wosnesensk der Russisch-Orthodoxen Kirche, gemeinsam?
Beide beteiligten sich an der Werbekampagne für den neuen Messenger Max. Und beide kassierten dafür Spott und Häme im Netz. Makarij dafür, dass er dazu aufrief, für den Erfolg des Messengers zu beten und Instasamka für ihre euphorische Begeisterung, dass Max »selbst im Parkhaus« Empfang hat. Dort habe sie zwei Stunden lang quatschen können, ohne dass die Verbindung abgebrochen sei. Warum die Rapperin ausgerechnet in einem Parkhaus stundenlang telefonieren musste, bleibt ihr Geheimnis.
Stars werben für den MessengerMit ihrer übertriebenen Euphorie ist sie jedenfalls nicht alleine. Zuvor hatte der Musiker Blogger Jegor Krid den Messenger in sein neuestes Video eingebaut. Darin ruft er in einem Gummiboot auf dem offenen Meer treibend einen Freund an: »Bro, Max hat sogar auf dem Meer Empfang.« Zu hören ist auch die Phrase »Der Patriot hört«, mit der sich russische Tiktok-Nutzer über den neuen Messenger lustig machen.
Seit März dieses Jahres ist die Beta-Version von Max verfügbar. Der vom sozialen Netzwerk VK (früher Vkontakte) programmierte Messenger soll laut Eigendarstellung eine Alternative zu den beliebten Diensten Telegram und Whatsapp sein und angeblich vor Internetbetrug schützen. Der berühmte Designer Artemi Lebedew, früher vor allem in liberalen Kreisen geschätzt, fand sogar einen besonderen »sicheren« Moment. Und zwar, dass es bei Max keine »Chochly« (eine abwertende Bezeichnung für Ukrainer) gibt.
Überzeugen konnte das die Russen anscheinend nicht, weshalb der Staat zu bewährten Methoden griff. Parallel zur von vielen Menschen als aggressiv empfundenen Werbekampagne wurden Mitte August kostenlose Anrufe bei Telegram und Whatsapp blockiert. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich laut Pressestelle von Max bereits 18 Millionen Russen registriert. Viele davon nicht unbedingt freiwillig.
Max soll Russen vor Terrorismus schützenDer Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation (Roskomnadsor), im Volksmund auch als Zensurbehörde bekannt, hält daran fest, Max diene dem Schutz vor Internetbetrug und Terrorismus. Russische Staatsbürger würden über andere Messenger zu »Sabotageakten« verführt, heißt es aus der Behörde. Zudem gehört Whatsapp dem Meta-Konzern, der in Russland bereits 2022 – neben Instagram –als »extremistisch« eingestuft wurde.
Deswegen braucht es in den Augen der Regierung eine nationale Lösung, die VK unter Leitung von Wladimir Kirijenko, Sohn des stellvertretenden Leiters der Präsidialverwaltung Sergej Kirijenko, schuf. Die Partnerschaft zwischen Staat und VK ist nicht neu. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine 2022 wurden Unsummen für Plattformen wie Rutube (als Youtube-Alternative) und die Etablierung neuer Unterhaltungsformate bei VK ausgegeben. Bisher meist mit überschaubarem Erfolg.
Registrieren kann man sich ausschließlich mit russischen und belarussischen Telefonnummern, Anrufe ins Ausland sind nicht möglich. Eine anonyme Nutzung ist nicht möglich. Stattdessen ist der Messenger Voraussetzung für den Zugang zur staatlichen Service-Plattform Gosuslugi.
Messenger erinnert an chinesisches WechatDas russische Nachrichtenportal The Insider vergleicht Max mit dem chinesischen Messenger Wechat. Wie bei der westlichen Konkurrenz werden auch hier Angaben über IP, Standort und Adressbuch erhoben. Wie beim chinesischen Nachbarn gibt Max die Daten an die Behörden weiter.
Viele Nutzer klagen zudem darüber, dass der Messenger sich eigenständig mit der Handykamera verbinden will und das Antivirenprogramm von Kaspersky nach der Installation nervös reagiert. Oppositionsmedien sind sich deshalb einig: Mit Max soll die Zensur verstärkt und die Kontakte ins Ausland verringert werden. Der Messenger ist für den Staat ein Mittel, um die Kommunikation der Russen zu kontrollieren.
Dabei wird es immer schwieriger, sich der Installation des »nationalen Messengers« zu entziehen. Seit dem 1. September muss Max auf allen in Russland verkauften Gadgets vorinstalliert sein. Schulen, Universitäten, Unternehmen und selbst Hausgemeinschaften verlagern ihre internen Chats in den neuen Messenger. Allen Staatsangestellten wird die Nutzung mit Nachdruck nahegelegt.
Auch Regierung scheint nicht vom Erfolg überzeugt zu seinWie viele Menschen tatsächlich für Max gebetet haben, ist nicht bekannt. Belegt ist hingegen der öffentliche Protest von Marxisten in Woronesch gegen die Internetzensur am 31. August. Auch in der Duma gab es vereinzelte Stimmen gegen die Blockade von Sprachanrufen und den administrativen Drang, Max zu nutzen. So kritisierte der kommunistische Abgeordnete Denis Parfenow Roskomnadsor dafür, der Bevölkerung die kostenlosen Anrufe zu nehmen. Parfenow weist zudem darauf hin, dass die Betrugsmaschen sich nicht auf einen Messenger beschränken.
Selbst in der Regierung scheint man vom Siegeszug des »nationalen Messengers« nicht wirklich überzeugt zu sein. Auch die Blockade aller Messenger würde die Russen nicht in die Arme von Max treiben, verrieten Quellen aus dem Umfeld der Präsidialverwaltung dem Onlinemedium Medusa. Die Menschen werden einfach neue Kommunikationsmittel und -wege suchen und finden. So war es in Russland auch früher schon. Und zur Not gibt es immer noch VPN, um die Blockade zu umgehen.
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