Vom Kaffeesatz zum Datenschatz: Mit Primärdaten zu höherer Präzision im Treibhausgas-Accounting

CSRD und CRR III markieren einen Wendepunkt für das ESG-Reporting im europäischen Bankensektor: Insbesondere die Offenlegungsverordnung könnte der Startschuss für ein standardisiertes und belastbares Treibhausgas-Accounting sein.
Doch auf dem Weg zu umfassender Transparenz im Portfolio sind noch einige Hürden zu nehmen. Besonders die geringe Zahl an verlässlichen Primärdaten stellt ein Problem dar. Warum das so ist und was Banken dagegen tun können, erklären Christoph Betz und Holger Wußler von KPMG.
Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sollte die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa vereinheitlichen und als Motor für die Dekarbonisierung dienen. Doch die Umsetzung stockt: Fristen wurden verschoben, der Anwenderkreis deutlich eingeschränkt.
Trotz dieser Unsicherheiten veröffentlichen über 50 Banken in Europa bereits freiwillig ihre finanzierten Emissionen nach CSRD-Standard – meist, weil sie frühzeitig in entsprechende Prozesse und Systeme investiert haben. Für viele Institute war dies der pragmatischste Weg, anstatt auf der Zielgeraden wieder zur alten GRI-Berichterstattung zurückzukehren.
Allerdings zeigt die erste Berichtswelle: Die Auslegung der Vorgaben variiert erheblich von Bank zu Bank. Während einige Institute die Standards der CSRD direkt umsetzen, nutzen andere sie als Orientierungshilfe. Die Berichte ermöglichen somit kaum eine Einschätzung, wie weit die Branche beim ESG-Reporting in der Decarbonisierung tatsächlich ist. Das Fazit ist eindeutig: Die CSRD kann aktuell (noch) nicht als Instrument für eine wirklich einheitliche und vergleichbare Berichterstattung dienen.
Detaillierte ESG-Einblicke durch CRR IIIFür den Finanzsektor rückt daher eine andere Regulierung in den Fokus, die das Potenzial hat, die Transparenz der Nachhaltigkeitsbemühungen weiter zu erhöhen: Die Rede ist von der neuen Capital Requirements Regulation (CRR III). Während die CSRD für alle großen Unternehmen gilt und daher sehr allgemein gehalten ist, richtet sich CRR III gezielt an Banken und berücksichtigt deren spezifische Geschäftsmodelle, Risiken und regulatorische Anforderungen.
Besonders interessant: Die Berichte erlauben erstmals detaillierte Einblicke in die klimarelevanten Wirtschaftssektoren, in denen Banken aktiv sind. Das schafft die Grundlage für einen differenzierten und transparenten Vergleich innerhalb der jeweiligen Peer-Group. Gerade im Bankensektor ist das von zentraler Bedeutung, da Institute mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, regionalen Schwerpunkten und Kundensegmenten oftmals sehr unterschiedliche CO2-Fußabdrücke aufweisen.
Entscheidend für die Aussagekraft dieser Berichte ist aber nicht nur, welche Methoden und Bezugsgrößen gewählt werden, sondern vor allem auch, wie verlässlich und hochwertig die zugrundeliegenden Daten sind. Was das betrifft, gibt es noch Luft nach oben.
Datenverfügbarkeit und Datenqualität als AchillesferseIm Rahmen eines Benchmarkings mit zwölf europäischen Finanzinstituten haben wir analysiert, wie sich der Fußabdruck der von ihnen finanzierten Emissionen im Branchenvergleich positioniert. Grundlage dieser Auswertung sind die öffentlich verfügbaren THG-Daten, die die Banken im Zuge ihrer regulatorischen Offenlegungspflichten nach Säule III der Capital Requirements Regulation (CRR) veröffentlichen.
Dabei zeigte sich: Der Anteil echter Primärdaten – also tatsächlich erhobener, spezifischer Emissionswerte aus den Kreditportfolios – ist mit nur 0,1 bis 23 Prozent immer noch relativ gering. Zum Teil wird die Primärquote von den Unternehmen auch unterschiedlich interpretiert. Die meisten Werte basieren weiterhin auf Schätzungen und Durchschnittswerten.
Viele Institute sind demnach nicht in der Lage, für einen Großteil ihrer Engagements belastbare, individuelle Emissionsdaten vorzulegen. Die Aussagekraft zur Dekarbonisierung des Portfolios bleibt damit eingeschränkt – insbesondere im Hinblick auf einen präzisen Peer-Vergleich.
Gleichzeitig unterstreicht die Offenlegung den Handlungsbedarf, die Datenqualität und Datenverfügbarkeit im Bereich der finanzierten Emissionen gezielt zu verbessern. Damit lassen sich regulatorische Anforderungen künftig nicht nur erfüllen, sondern auch glaubwürdig belegen. Wer im Wettbewerb um Transparenz und ESG-Exzellenz vorne mitspielen möchte, sollte daher frühzeitig in belastbare Datengrundlagen investieren.
Wie Banken an bessere Daten kommenWie aber kommen Institute an diese wertvollen Informationen? Der direkte Draht zum Kunden ist entscheidend: Wer seine Unternehmenskunden frühzeitig einbindet, ihnen die Bedeutung von Emissionsdaten erklärt und sie bei der Erhebung unterstützt, schafft die Basis für belastbare Zahlen. Schulungen, Leitfäden oder digitale Tools können den Einstieg erleichtern. Banken, die Nachhaltigkeitsklauseln in ihre Kreditverträge integrieren, machen die Datenlieferung zu einer festen Größe im Finanzierungsgeschäft.
Um die Qualität und Aussagekraft von ESG-Daten zu erhöhen, empfiehlt es sich außerdem, Nachhaltigkeitsaspekte frühzeitig in den Neugeschäftsprozess zu integrieren. So können relevante Informationen direkt bei der Entstehung neuer Geschäfte erfasst und systematisch weiterverarbeitet werden.
Für bestehende Kunden sind wesentlichkeitsbasierte Bestandsaktionen entscheidend, um gezielt Datenlücken dort zu schließen, wo sie für die Berichterstattung und Steuerung am wichtigsten sind. Technologisch eröffnen moderne ESG-Plattformen und der Austausch in Brancheninitiativen zusätzliche Chancen, Prozesse zu automatisieren und Synergien zu nutzen.
Fehlende Primärdaten lassen sich überdies durch methodisch repräsentative Proxies sinnvoll ergänzen, wodurch die Aussagekraft der Berichte auch bei unvollständigen Daten steigt. Gerade vor dem Hintergrund neuer regulatorischer Anforderungen wie der EBA-Leitlinien ist das ein wichtiger Baustein, um handlungsfähig zu bleiben.
Klar ist: Der Weg zu verlässlichen ESG-Daten ist ein langfristiges Projekt. Doch wer jetzt konsequent investiert und die richtigen Hebel setzt, legt den Grundstein für glaubwürdiges, zukunftsfähiges Treibhausgas-Accounting – und damit für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit im Finanzsektor und der Industrie.
Über die Autoren:

Christoph Betz ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG. Er leitet die ESG-Practice für den Bankenbereich in Deutschland sowie das KPMG Financial Services ESG Hub in der EMA-Region.

Holger Wußler ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG. Er verantwortet die Themen zur internen Berichterstattung und BCBS 239, sowie die Kampagne Data Driven Sustainability.
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