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Corona-Folgen: Wirtschaft holt die Pleiten nach

Corona-Folgen: Wirtschaft holt die Pleiten nach

An der Insolvenzstatistik ist der erhoffte Aufschwung noch nicht abzulesen. Die Zahl der Firmenpleiten steigt weiter, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits einen heftigen Schub bekommen hatte. Fachleute sehen darin vor allem eine Folge des laufenden Strukturwandels und halten die Bereinigung zum Teil für nötig: „Insolvenzen sind im ökonomischen Umbruch keine Seltenheit – im Gegenteil, sie sind erforderlich", erklärt der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID).

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Die Auskunftei Creditreform berichtet von 11.900 Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr, das seien 9,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zahlen des Statistischen Bundesamts deuten in die gleiche Richtung. Für den April meldete die Behörde am Freitag 2125 Firmeninsolvenzen und damit 11,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Eine vorläufige Schätzung für den Juni deutet auf weitere 2,5 Prozent Zuwachs hin. Der Trend schwächt sich also ab - auf hohem Niveau.

Nach Angaben von Creditreform gibt es aktuell so viele Pleiten wie seit zehn Jahren nicht mehr, also auch mehr als vor der Pandemie. Laut dem Statistischen Bundesamt hatten Logistikfirmen im April den höchsten Anteil, gefolgt von Bau- und Gastgewerbe.

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Jahrelang war mit dieser Statistik wenig anzufangen, weil die Bundesregierung in der Corona-Krise die Regeln für die Insolvenzanmeldung erheblich gelockert hatte. Hinzu kamen Finanzhilfen für viele Betriebe und Kurzarbeit. So wollte man vermeiden, dass der Ausnahmezustand der Pandemie zu einer Pleitewelle und Massenarbeitslosigkeit führt. Deshalb gab es in einer der schwersten Wirtschaftskrisen des Landes besonders wenig Insolvenzen.

Jonas Eckhardt

Falkensteg Unternehmensberatung

Danach allerdings hatte sich einiges aufgestaut: 2023 und 2024 stieg die Zahl der Insolvenzen jeweils um mehr als 20 Prozent. Die Sanierungsberatung Falkensteg sieht darin eine „Normalisierung hin zu einem rationalen Niveau“. Nach Einschätzung der Sanierer geben jetzt viele Firmen auf, die unter normalen Umständen schon in den Pandemiejahren am Ende gewesen wären: „Gerade die Coronahilfen und die Kurzarbeit während der Pandemie hatten die reinigende Wirkung der Insolvenz verwässert“, sagt Falkensteg-Experte Jonas Eckhardt.

Schnelle Besserung erwartet Eckhardt trotz der großen Ambitionen der Bundesregierung nicht: „Da Insolvenzen immer nachgelagert sind, wird es mindestens bis 2026 dauern, bis die ersten positiven Signale bei den Insolvenzzahlen ankommen.“ Auch der VID-Vorsitzende Christoph Niering verweist darauf, dass politische Maßnahmen mit Verzögerung wirkten. „Bereits deren Ankündigung kann sich jedoch stabilisierend auf das Vertrauen in die Wirtschaft auswirken.“ Er sieht „keine flächendeckende Krise“. Die hohen Insolvenzzahlen hätten weniger mit der aktuellen Konjunktur als mit einem Strukturwandel zu tun.

So sieht es auch Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, und wäh­rend der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren“, sagt der Leiter der IWH-Insolvenzforschung. In den Insolvenzen sieht er „schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen sowie Strukturanpas­sungen, die Raum für zukunftsfähige Unternehmen schaffen können".

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Das macht die Lage allerdings nicht einfacher, denn die Krisenherde sind Schlüsselbranchen und ihre Probleme umso größer. Die meisten Arbeitsplätze sind laut einer IWH-Untersuchung in der Industrie betroffen, wo die Betriebe in der Regel größer sind als in Gastronomie oder Baugewerbe. Laut IWH waren im Juni allein in den größten 10 Prozent der insolventen Unternehmen etwa 16.000 Arbeitsplätze betroffen. „Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten auf dem Niveau der Vormonate, jedoch 68 Prozent über dem Niveau von Juni 2024 und etwa 43 Prozent über dem Juni-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019.“

Das werde nachwirken, warnt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung. „Uns geht mit den Leuten, die dort aus den Unternehmen verschwinden, Know-how und Fertigungskompetenz verloren“, sagte er in einem Podcast der Auskunftei. „Die Mitarbeiter finden nicht automatisch, wie das oft suggeriert wird, sofort wieder einen Job.“ Die Pleiten in der Bauwirtschaft machten es zudem schwer, die Infrastrukturprojekte umzusetzen, für die gerade riesige Summen bereitgestellt werden.

Hantzsch warnt auch davor, dass gerade in der Industrie die Zahl der Insolvenzen immer noch stärker steige als in anderen Bereichen. Die Industrie stehe „weiter im Feuer“, es drohe ein „Erodieren des Maschinenraums Deutschlands“.

Die Experten sind sich darin einig, dass vor allem der schnelle Wandel von Technologien und Märkten die Insolvenzzahlen hochtreibt. Durch die „Auszeit“ in der Pandemie gebe es besonders viele schlecht gerüstete Unternehmen. Zwei Dritteln der insolventen Unternehmen fehlten schlicht ein funktionierendes Geschäftsmodell oder eine tragfähige Organisationsstruktur, heißt es in der Falkensteg-Untersuchung.

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